Ankündigung Pkw-Maut: Österreich klagt gegen deutsche Maut vor dem Europäischen Gerichtshof

Wien - Die Republik Österreich macht ihre Ankündigung wahr und zerrt Deutschland wegen der umstrittenen Pkw-Maut vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das gab der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried am Donnerstag in Wien bekannt. Die Klage ging noch am selben Tag beim EuGH in Luxemburg ein, wie das Gericht mitteilte. Die Niederlande wollen sich anschließen. Den formalen Beschluss dazu muss allerdings die neue niederländische Regierung fassen, die voraussichtlich erst Ende Oktober ihre Arbeit aufnimmt.
„Die deutsche Maut ist eine Ausländer-Maut. Deutsche zahlen nicht, weil sie Deutsche sind, Österreicher zahlen, weil sie Österreicher sind. Das lassen wir uns nicht gefallen“, sagte Leichtfried. Die Maut diskriminiere in ihrer aktuellen Form ausländische Autofahrer aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. Dies sei nicht mit dem EU-Recht vereinbar.
Das Bundesverkehrsministerium in Berlin zeigte sich unbeeindruckt. „Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt“, sagte ein Sprecher des scheidenden Ministers Alexander Dobrindt (CSU). Die EU-Kommission habe bereits vor einigen Monaten die deutschen Pläne genehmigt und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingestellt.
Einführung der Maut für 2019 geplant
Die Einführung der Maut ist für 2019 geplant, die Klage aus Österreich hat keine aufschiebende Wirkung. Gleichwohl dürfte sie all jenen in Deutschland und Europa Auftrieb verleihen, die Dobrindts Maut für diskriminierend und schädlich halten. Es ist davon auszugehen, dass das Thema auch bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Deutschland zur Sprache kommt. FDP und Grüne, die beiden potenziellen Partner der Union, lehnen das CSU-Prestigeprojekt ab.
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europaparlament, Michael Cramer (Grüne), sagte dieser Zeitung, dass die Zukunft der Maut unbedingt in den anstehenden Koalitionsverhandlungen geklärt werden müsse. Er sei gegen „rote Linien“ vor solchen Verhandlungen. „Aber wir sollten uns dafür einsetzen, dass die Pkw-Maut für Ausländer abgeschafft wird.“ Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, forderte die amtierende Bundesregierung auf, die Maut sofort auszusetzen. „Denn es wäre Unsinn im Quadrat, auch noch zig Millionen für die Einführung einer Ausländer-Maut auszugeben, die am Ende vom Gericht für unzulässig erklärt wird.“
SPD verlangt den Stopp der Vorbereitungen
Auch die SPD verlangte den Stopp sämtlicher Vorbereitungen. Die Sozialdemokraten hatten das Maut-Projekt in der großen Koalition nur widerwillig mitgetragen. Finanzfachleute weisen darauf hin, dass auch mit immensen Schadenersatz-Forderungen von Dienstleistern und Verbrauchern zu rechnen sei, wenn die Maut erst eingeführt, später aber vom Gericht gekippt wird.
Dobrindt will ab 2019 sämtliche Pkw-Fahrer für die Benutzung von Autobahnen zur Kasse bitten. Einheimische Fahrzeughalter aber sollen über die Kfz-Steuer entlastet werden – und zwar zumindest um jenen Betrag, den sie für den Kauf der Vignette bezahlen müssen. Experten bezweifeln, ob das System wegen des hohen bürokratischen Aufwands überhaupt nennenswerte Einnahmen bringen wird.
Brüssel gab grünes Licht
Der deutsche Gesetzgeber hatte im März endgültig den Weg für die Maut freigemacht. Dem war eine längere Auseinandersetzung zwischen der EU-Kommission und Dobrindt vorausgegangen. Nachdem der deutsche Minister sein Maut-Gesetz leicht verändert hatte, gab Brüssel grünes Licht. Deutschland verpflichtete sich aber zugleich, die Kommission künftig nach Kräften bei ihrem Vorhaben zu unterstützen, einen europaweiten Rechtsrahmen für die Erhebung von Autobahn-Gebühren zu schaffen. Das hatte Dobrindt zuvor vehement abgelehnt.
Österreich hatte seine Klage gegen die deutsche Pkw-Maut bereits vor Monaten angekündigt. Der Vollzug findet nun wenige Tage vor der Parlamentswahl im Nachbarland statt. Am kommenden Sonntag wird dort ein neuer Nationalrat bestimmt. Die Sozialdemokratische Partei von Kanzler Christian Kern und Verkehrsminister Leichtfried muss bei der Wahl mit einem Debakel rechnen.
Eine Sprecherin Leichtfrieds sagte, die Klageerhebung habe nichts mit dem Wahlkampf zu tun. Die Regierung habe vielmehr das dreimonatige Stellungnahmeverfahren der EU-Kommission abwarten müssen. Erst nach Ablauf der Frist in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag könne Österreich zur Tat schreiten. In Kommissionskreisen wurde diese Darstellung bestätigt. Die Sprecherin des Wiener Verkehrsministeriums ergänzte: „Wir hätten längst geklagt, wenn wir nicht die Frist hätten abwarten müssen.“