Oppenheim-Prozess Oppenheim-Prozess: In existenzieller Bedrängnis gehandelt

Köln - Die Strategie kommt nicht überraschend. Nach den Geständnissen der ehemaligen Oppenheim-Banker Matthias Graf von Krockow und Christopher Freiherr von Oppenheim im Strafprozess vor dem Kölner Landgericht musste es den Verteidigern in ihren Plädoyers am Mittwoch darum gehen, ihre Mandanten vor den von der Staatsanwaltschaft geforderten Freiheitsstrafen zu bewahren. Drei Jahre und drei Monate haben diese für Graf Krockow gefordert, zwei Jahre und acht Monate für Freiherr von Oppenheim – wegen gemeinschaftlicher schwerer Untreue in zwei besonders schweren Fällen. Für die Staatsanwaltschaft ist erwiesen, dass durch die missglückte Rettung von Arcandor und die Übernahme des Esch-Fonds Bockenheimer Landstraße in Frankfurt der Bank im September und Dezember 2008 ein Schaden von rund 105 Millionen Euro entstanden ist.
„Nichts Unanständiges“
Der Verteidiger von Christopher von Oppenheim verzichtet darauf, noch einmal den historischen Ablauf der Ereignisse rund um das Rettungswochenende für Arcandor darzustellen. Vielmehr bemüht sich Norbert Scharf darum, mit einer Gesamtschau das Fehlverhalten seines Mandanten vom Vorwurf der vorsätzlichen schweren Untreue zu entkoppeln. Im März 2006 hätten die Banker in Sachen Arcandor einen Strategiewechsel vollziehen müssen. Bis dahin sei „nichts Unanständiges“ daran gewesen, die Immobilienreserven von Dax-Unternehmen insbesondere des Karstadt-Quelle-Konzerns zu heben, „Ein Trend in jenen Tagen, in denen Goldgräberstimmung in diesem Bereich des Kapitalmarkts herrschte.“ Mit dem Verkauf wesentlicher Immobilienanteile an Highstreet sei das nicht aussichtsreich gewesen. „Das war sie deshalb, weil es ab da keinen Immobilienbesitz mehr gab, der ohne Mitwirkung Dritter hätte gehoben werden können.“
Damit hätten die Probleme begonnen, „die unseren Mandanten dazu gebracht haben, im März 2008 die Grenzen der Legalität zu überschreiten“, sagt Scharf. Man habe lange nach einem Oberbegriff gesucht, um dieses Verhalten zu beschreiben. Es habe sich um „eine erstaunliche Sorglosigkeit“ gehandelt, die aus Zeiten stammte, „die gesegnet waren mit hohem Kapital der Bank und selbstverständlich gewordenem Wohlstand und die sich im Kopf unseres Mandaten fest verwurzelt hatte“.
Der Strafprozess erreicht in der kommenden Woche die Zielgerade. Am kommenden Mittwoch, 10. Juni, wird die Verteidigung des angeklagten Ex-Banker Friedrich Carl Janssen plädieren. In seinem Fall haben die Staatsanwälte wegen gemeinschaftlicher schwerer Untreue drei Jahre und sechs Monate Haft gefordert.
Am Donnerstag, 11. Juni, folgen dann die beiden letzten Plädoyers der Verteidiger des ehemaligen Bank-Gesellschafter Dieter Pfundt und des Immobilienentwicklers Josef Esch. Pfundt soll nach den Vorstellungen der Ankläger für zwei Jahre und zehn Monate in Haft. Bei Josef Esch geht es lediglich noch um den Vorwurf des Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz. Dafür soll er eine Geldstrafe von knapp 420 000 Euro zahlen.
Das Urteil der 16. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Sabine Grobecker muss nach dem letzten Plädoyer innerhalb von elf Tagen gesprochen werden. Es wäre der 126. Verhandlungstag. (pb)
Baron Oppenheim habe sich von Prozessbeginn eingelassen, zu seinen Fehlern bekannt. „Da hat jemand, der den Namen dieses Bankhauses trägt, der zeitlebens damit identifiziert wird, nicht nur sein ganzes Privatvermögen verloren, seine Reputation eingebüßt, er zeichnet mitverantwortlich für Entscheidungen, die strafrechtliche Relevanz haben; vielmehr noch hat er einen Niedergang in einem Bereich erlebt, der in die innersten Bereiche seiner Familie und seiner Persönlichkeit hinein reicht. Man muss sich die inneren, Widerstände einmal vorstellen, die jemand überwinden muss, um angesichts all dessen zu dieser Haltung zu gelangen“, sagt Scharf. „Eine Gefängnisstrafe wäre für einen solchen Mann jedenfalls nicht schuldangemessen.“
Ähnlich argumentieren die Verteidiger des Grafen Krockow. Die angeklagten Straftaten seien „Episode im Leben des Grafen und nicht Struktur“. Sie seien auch kein Ausdruck „besonderer risikogezwungener oder unlauterer Eigenschaften“, sagt Daniel M. Krause. Krockows Verhalten lasse sich ausschließlich aus der beginnenden Finanzkrise 2008 und der konkreten Situation im zweiten Halbjahr erklären, die für das Bankhaus und das Familienvermögen bedrohliche Ausmaße angenommen habe. Das Handeln des Grafen sei davon geprägt gewesen, „ein sich immer stärker verdichtendes Gefühl der existenziellen wirtschaftlichen Bedrängnis für das Bankhaus und die Familie abzumildern, vielleicht aufzuschieben“. Im Gegensatz „zu anderen Verfahrensbeteiligten, die von Beginn an versucht haben, ihre eigene Position zu Lasten des Grafen zu relativieren“, habe sich Krockow umfassend geäußert. Krause erwähnt die mitangeklagten Friedrich Carl Janssen und Dieter Pfundt nicht namentlich, es ist aber klar, dass sie gemeint sind.
Schaden wiedergutmachen
Darüber hinaus sei Krockow bemüht, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen. „Er wird nahezu sein gesamtes Vermögen auf die Bank übertragen beziehungsweise dafür sorgen. Sicherheiten und Pfandrechte können durch die Bank verwertet werden“, so Krause. Zusätzlich unterstütze er seit mehreren Jahren die Bank bei „der Abwehr unberechtigter Ansprüche Dritter“. Bei der Auswahl des Strafrahmens müsse auch berücksichtigt werden, dass Krockow in einem familiär abgesicherten Umfeld lebe. „Das ist so bis heute, obgleich die Familie schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde.“ Im Alter von 66 Jahren habe er keine Perspektive mehr, noch einmal in ein Berufsleben einzutreten. ‚Er ist die Person, mit der der Niedergang des Bankhauses verknüpft ist“, so Krause.