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Öko-Landwirtschaft Öko-Landwirtschaft: Kunden wollen perfekte Bio-Kartoffeln

Von Joachim Göres 12.11.2013, 06:45
Makellos wie an diesem Stand wünschen sich die Verbraucher die Kartoffeln.
Makellos wie an diesem Stand wünschen sich die Verbraucher die Kartoffeln. dpa Lizenz

Uelzen/MZ - Rund 20 Prozent der Bio-Kartoffeln gelangen nicht in den Handel - weil ihr Aussehen mit kleinen schwarzen Flecken oder merkwürdigen Formen nicht den Erwartungen entspricht. Diese geschmacklich meist einwandfreien Kartoffeln werden dann oft verfüttert oder landen in Biogas-Anlagen. „Wir verkaufen unsere Bio-Kartoffeln auch direkt auf dem Hof, und da finden viele Kunden besondere Kartoffeln wie zum Beispiel welche in Herzform interessant und nehmen sie gerne mit. Der Handel kauft sie uns aber nicht ab“, klagt Landwirt Reiner Bohnhorst. Er diskutierte auf einer Tagung des Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen in Uelzen mit Fachleuten aus Produktion, Handel und Wissenschaft über das Marktpotenzial der Bio-Kartoffeln.

„Supermarktkunden sind anders, selbst wenn sie Bio-Ware kaufen. Wenn die Optik nicht stimmt, bleibt die Ware liegen“, entgegnet Johannes von Eerde, für den Gemüseeinkauf für die bundesweit rund 3.300 Rewe-Märkte verantwortlich. Edeka verkauft derzeit in 20 Märkten in Deutschland Kartoffeln und Obst mit kleinen optischen Mängeln zu einem günstigeren Preis, um zu testen, ob der Kunde solche Produkte akzeptiert. „Das Interesse der Medien an diesem Thema ist bisher leider größer als dass der Verbraucher“, sagt Anja Vollgrebe, Leiterin des Qualitätsmanagements bei Edeka Nord.

Ein weiteres Problem aus Sicht der Landwirte: Der Handel bevorzugt gewaschene Kartoffeln, obwohl diese nicht so lange haltbar sind und eher grün werden. „Viele Kunden wollen gewaschene Kartoffeln. Mit Kartoffeltüten, aus denen die Erde rausrieselt, hat man keine Chance. Wir haben aber auch Kartoffeln im Sortiment, die gebürstet sind und so länger halten“, sagt Matthias Brommer, Leiter des Qualitätsmanagements für Obst und Gemüse bei der Supermarktkette Tegut, zu der 285 Läden in Thüringen, Hessen, Niedersachsen und Bayern gehören.

„Jüngere Leute wollen To-go-Produkte“

Viele Landwirte erhoffen sich von verarbeiteten Bio-Kartoffeln einen erhöhten Absatz ihrer B-Ware. So gibt es zum Beispiel Bio-Kartoffelchips, Bio-Gnocchi, Bio-Kartoffelpuffer, Bio-Pommes oder Bio-Kartoffelpüree - allerdings meist nur in Bioläden und nicht bei Discountern oder Geschäften mit einem Lebensmittelvollsortiment, über die die meisten Bio-Kartoffeln verkauft werden. Für Claudia Jones, Professorin für Lebensmittelchemie an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold, hat die unverarbeitete Kartoffel - egal ob konventionell oder ökologisch erzeugt - künftig einen schweren Stand. „Kartoffeln müssen geschält und gekocht werden, das kostet Zeit, die sich viele Menschen nicht mehr nehmen. Jüngere Leute wollen To-go-Produkte, darauf müssen sich auch Kartoffelanbieter einstellen.“

„Erzeuger brauchen mehr Preissicherheit“

„Die Erzeuger brauchen mehr Preissicherheit durch feste Vereinbarungen mit dem Handel, dann werden in Deutschland auch mehr Bio-Kartoffeln angebaut“, sagt Carsten Niemann, Geschäftsführer der EZZ Bio Kartoffel Nord GmbH & Co. KG (Lüchow), die auch in Sachsen-Anhalt Bio-Kartoffeln anbaut. Er fordert, stärker als bisher die Qualitäten von Bio-Kartoffeln zu betonen, um den Absatz zu steigern. „Im konventionellen Anbau werden die Kartoffeln im Lager begast und Insektizide eingesetzt, was Auswirkungen auf das Grundwasser hat. Der Handel präsentiert Bio-Ware als reine Marke, es muss aber wieder mehr um Inhalte gehen.“

Der Anteil der Bio-Kartoffeln an den insgesamt verkauften Kartoffeln liegt in Deutschland bei 5,7 Prozent. Derzeit kostet ein Kilogramm Bio-Kartoffeln rund 1,30 Euro gegenüber 80 Cent für konventionell erzeugte Kartoffeln. Deutschland ist mit 10,6 Millionen Tonnen in der EU das größte Anbauland für Kartoffeln. Sachsen-Anhalt steht hinter Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen an vierter Stelle der größten deutschen Produzenten.