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Nach EU-Sanktionen  Nach EU-Sanktionen : Russland kommt als Handelspartner für Ostdeutschland wieder

Von Steffen Höhne 22.11.2016, 12:00
Der Magdeburger Maschinenbauer Vakoma verlor viele Russland-Aufträge und wurde insolvent. Die Firma hat die Krise inzwischen überwunden.
Der Magdeburger Maschinenbauer Vakoma verlor viele Russland-Aufträge und wurde insolvent. Die Firma hat die Krise inzwischen überwunden. dpa

Halle (Saale) - Drei Sonderflüge erwartet die Stadt Dresden zum Jahreswechsel aus Moskau. Vor allem Edel-Boutiquen und Hotels hoffen, dass zahlungskräftige russische Kunden wieder vermehrt ihr Geld in der sächsischen Landeshauptstadt ausgeben. Die Tourismus-Gesellschaft kündigte bereits an, wieder in Moskau zu werben und ist optimistisch, dass die Gästezahlen nach einem drastischen Einbruch steigen werden.

Exportgeschäft nach Russland hat Tal durchschritten

Zuversicht gibt es nicht nur bei den Dresdner Hoteliers. Nachdem beiderseitige Sanktionen von Europäischer Union und Russland den Handel stark eingeschränkt haben, zeichnet sich nun eine Wende ab. „Im Exportgeschäft dürfte das Tal durchschritten sein“, sagt der hallesche Ökonom Udo Ludwig. Am Dienstag wird der frühere Konjunkturchef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle auf dem Russland-Tag der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) eine Studie zum Außenhandel der ostdeutschen Bundesländer mit Russland vorstellen.

Aus- und Einfuhrverbot nach Einmarsch der Russen auf der Krim

Um die künftige Entwicklung einzuschätzen, muss man sich die Ausgangsposition vergegenwärtigen: Im Jahr 2012 lieferten ostdeutsche Firmen Waren und Dienstleistungen im Wert von 2,8 Milliarden Euro nach Russland - auf Sachsen-Anhalt entfielen dabei 500 Millionen. Innerhalb von nur drei Jahren brach der Export um 30 Prozent auf zwei Milliarden ein (314 Millionen für Sachsen-Anhalt). Nach Auffassung von Ludwig sind dafür nicht nur die Sanktionen verantwortlich: „Bereits 2013 schwächelte die russische Wirtschaft, was zu Exporteinbußen führte.“

Nach dem Einmarsch der Russen auf der Krim im Frühjahr 2014 verhängte die Europäische Union ein Aus- und Einfuhrverbot für Waffen, Güter, die für militärische Zwecke genutzt werden können, bestimmte Hochtechnologie-Produkte und Spezialtechnik zur Gas- und Ölförderung. Im Gegenzug verbot Russland die Einführung vieler europäische Agrar- und Lebensmittelprodukte. In der Folge rutschte die russische Wirtschaft in eine tiefe Rezession, der Rubel verlor dramatisch an Wert. Das heißt, selbst wenn sie durften, konnten sich viele russische Firmen keine Waren aus Deutschland mehr leisten

Vorkrisen-Niveau der russischen Wirtschaft kann wieder erreicht werden

Doch nun steht wahrscheinlich eine Kehrtwende bevor. „Die russische Wirtschaft kommt aus der Rezession raus“, sagt Ludwig. Er sieht auf der russischen Seite einen enormen Investitionsstau: „Vor allem bei den ostdeutschen Maschinenbauern könnte das Geschäft wieder anziehen.“ Sollten die Sanktionen aufgehoben werden, geht Ludwig sogar davon aus, dass das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht werden kann. Problematisch ist nach seiner Auffassung vor allem die Finanzierung der Projekte. „Durch die niedrigen Öl- und Gaspreise fehlen der russischen Seite wichtige Einnahmen.“

Wirtschaftssanktionen für Russland haben politisch keine Wirkung erzielt

Die IHK Halle-Dessau tritt für die schrittweise Aufhebung der Sanktionen ein. Hauptgeschäftsführer Thomas Brockmeier sagt: „Die Unternehmerschaft begrüßt eine Politik, die das Völkerrecht nachhaltig schützt – wenn sie denn zielgerichtet und erfolgreich darin ist. Politisch aber haben die Maßnahmen gegen Russland bisher keine Wirkung erzielt. Wir haben deshalb nach wie vor massive Zweifel, ob fortgesetzte Wirtschaftssanktionen in diesem Konflikt tatsächlich der richtige Weg sind.“ Die Blockade zwischen vermeintlichen „Putinverstehern“ und angeblichen „Kriegstreibern“ solle endlich von einer umsichtigen und weitsichtigen Realpolitik abgelöst werden.

Ostdeutsche Firmen haben Einbruch in Russland-Geschäft gut verkraftet

Den Einbruch im Russland-Geschäft haben die ostdeutschen Firmen aber erstaunlich gut verkraftet. Nach Angaben von Ludwig waren 2012 noch 24 300 Beschäftigte in der ostdeutschen Wirtschaft direkt und indirekt in Warenlieferungen nach Russland eingebunden. Im Jahr 2015 seien es nur noch 16 700 gewesen. „Die Unternehmen haben aber kaum Mitarbeiter entlassen. Folglich wurden erfolgreich andere Absatzmärkte beliefert, um die Mitarbeiter zu beschäftigen“, sagt Ludwig. Kurz: Die ostdeutschen Firmen waren flexibel genug, sich schnell an die neue Situation anzupassen.

(mz)