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Migrationshintergrund Migrationshintergrund: Drastische Unterschiede zwischen Pflegekräften

Von Stefan Sauer 07.08.2018, 13:49
In der Pflege gibt es zu wenig Personal und zu enge Zeitpläne. (Symbolbild)
In der Pflege gibt es zu wenig Personal und zu enge Zeitpläne. (Symbolbild) picture alliance/dpa

Berlin - Eigentlich müsste man ihnen einen roten Teppich ausrollen, um sie nach Deutschland zu holen. Ausländische Pflegekräfte sind angesichts des gravierenden Personalmangels in hiesigen Heimen und ambulanten Diensten höchst willkommen. Jedenfalls theoretisch. In der Praxis werden Pflegekräfte mit Migrationshintergrund in vieler Hinsicht schlechter behandelt als ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen, wie eine Studie der Sozialwissenschaftlerin Hildegard Theobald von der Uni Vechta zeigt.

Im Vordergrund der Untersuchung, die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegeben wurde, steht ein Vergleich der Arbeitsbedingungen in der Altenpflege in Deutschland, Schweden und Japan. Zeitdruck, Überlastung und prekäre Arbeitsverhältnisse sind zwar in allen drei Ländern im Pflegebereich verbreitet, in Deutschland aber am häufigsten.

So klagen 54 Prozent der hiesigen ambulanten Pflegekräfte über regelmäßigen Zeitdruck, während die Anteile in Japan und  Schweden nur zwischen 35 und 37 Prozent liegen. Im Heimbereich leiden sogar 73 Prozent der Pflegekräfte in Deutschland  unter Zeitdruck, in Japan sind es 53 und in Schweden 40 Prozent.

Zu wenig Personal und enge Zeitpläne

Wesentliche Ursachen sind laut Theobald vor allem zu wenig Personal und entsprechend enge Zeitpläne. Die deutlichsten Unterschiede treten allerdings im Umgang mit ausländischen Beschäftigten zutage. Sie machen in Deutschland und Schweden jeweils 14 Prozent der stationären und 11 Prozent der ambulanten Pflegekräfte aus (in Japan spielen sie mit einem Anteil von 0,5 Prozent faktisch keine Rolle). 

Hierzulande leisten 41 Prozent der zugewanderten Pflegekräfte mit vollwertiger Ausbildung mindestens einmal pro Woche unbezahlte Überstunden, aber nur 18 Prozent der deutschen Pflegerinnen und Pfleger. Bei ungelernten Kräften fällt das Verhältnis mit 73 Prozent zu 21 Prozent noch deutlicher aus. In Schweden sind unbezahlte Überstunden zwar die Ausnahme, doch auch dort sind Ausländer benachteiligt. Im Nordland leisten  knapp acht Prozent der Pflegekräfte mit Migrationshintergrund regelmäßig Mehrarbeit ohne Bezahlung, für inländische Kräfte liegt der Anteil unter sechs Prozent.

Drastische Unterschiede bei Beschäftigten mit Migrationshintergrund

Abgesehen davon lassen die schwedischen Daten aber kaum Unterschiede in der Arbeitssituation zwischen in- und ausländischen Pflegekräften erkennen. Anders in Deutschland: 31 Prozent der zugewanderten Pflegerinnen und Pfleger müssen täglich Reinigungsarbeiten erledigen, während es in der deutschen Kollegenschaft nur 14 Prozent sind.

Noch krasser ist der Abstand bei Beschäftigten ohne formale Pflege-Ausbildung: jede zweite Beschäftigte mit Migrationshintergrund führt täglich Putztätigkeiten aus, von den inländischen Hilfskräften sind es – wie bei den Gelernten – dagegen lediglich 14 Prozent.

Auch die Möglichkeiten, Arbeitsabläufe zu planen und zu eigenständig zu gestalten, orientieren sich in Deutschland  häufig an der Herkunft. Nur 23 Prozent der ausgelernten und null Prozent der ungelernten Kräfte aus dem Ausland geben an, auf ihre Arbeitsplanung Einfluss nehmen zu können. Von den deutschen Pflegekräften sind es unabhängig vom Qualifikationsniveau immerhin 35 Prozent.

Nicht die Qualifikation ist entscheidend

Inländische Beschäftigte haben außerdem deutlich häufiger Gelegenheit, sich mit ihren direkten Vorgesetzten auszutauschen. Während 14 Prozent der Pflegekräfte aus dem Ausland täglich Besprechungen mit ihren Chefs haben, liegt der Anteil in der deutschstämmigen Belegschaft bei 37 Prozent. Nicht zuletzt erfahren Pflegerinnen und Pfleger mit Migrationshintergrund weniger Anerkennung für ihre Arbeit.

Nur 11 Prozent von ihnen fühlen sich von den Pflegebedürftigen und ihren Familien wert geschätzt, von den deutschen Pflegekräften sind es 29 Prozent. Ein weiterer bedrückender Befund: 20 Prozent der zugewanderten Pflegebeschäftigten sind während der Arbeit täglich körperlicher Gewalt ausgesetzt, von den deutschen sind es  „nur“ acht Prozent.

Bei alledem ist nicht etwa die Qualifikation entscheidend. Diesbezüglich haben die zugewanderten Kräfte sogar die Nase vorn: 77 Prozent im ambulanten und 41 Prozent im stationären Bereich verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung als Altenpflegefachkraft, unter den deutschen Beschäftigten liegen die Anteile bei nur 51 und 31 Prozent.