Kommentar zur Air-Berlin-Insolvenz Kommentar zur Air-Berlin-Insolvenz: Die Pleite sollte ein Weckruf sein

Berlin - Jetzt soll die Insolvenz von Air Berlin ein Komplott gewesen sein, damit die Lufthansa die marode Fluggesellschaft mit staatlicher Unterstützung filetieren kann – behaupten jedenfalls die Manager von Ryanair. Respekt, die Iren schaffen es immer wieder, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Dass da Manager und Lobbyisten der größten deutschen Airline mit perfektem Timing zu Werke gegangen sind, steht freilich außer Zweifel. Zum Beginn des Bundestageswahlkampfs und zum Ende der Reisesaison die Insolvenz – sagen wir mal – auszulösen: das war der perfekte Zeitpunkt. Weil so maximaler Druck auf Bundesregierung und EU-Kommission ausgeübt werden kann. Die rot-weißen Jets können die nächsten drei Monate dank eines 150-Millionen-Sofortkredit des deutschen Staates weiter fliegen.
Ryanair selbst wird von der öffentlichen Hand gespeist
Währenddessen werden die Chefs von Lufthansa und Air Berlin, Carsten Spohr und Thomas Winkelmann, das fachgerechte Zerlegung der Fluglinie aus der Hauptstadt organisieren – mit anschließender Integration der werthaltigen Teile in die Billigflieger-Abteilung des hiesigen Marktführers. Beschäftigte können dann mit deutlichen Lohn- und Gehaltsabschlägen übernommen werden. So also sieht die viel beschworene Konsolidierung der Luftfahrtbranche aus.
Ryanair hat bei den Wettbewerbsbehörden Beschwerde gegen das „Komplott“ eingelegt. Da beklagen sich die Richtigen überstaatliche Unterstützung einer Fluggesellschaft. Ryanair ist in den vergangenen Jahren wie kaum eine andere Airline in Europa von der öffentlichen Hand gepäppelt worden. Die Iren haben ihre Erfolgsgeschichte maßgeblich der Unterstützung von Betreibern regionaler Flughäfen zu verdanken, und diese sind fast ausschließlich in der Hand von Regionalregierungen und/oder Kommunen.
Wenn es hart auf hart kommt, knickt die EU ein
Im Hunsrück etwa wurde ein Airport namens Hahn nebst Infrastruktur hingestellt, der fast ausschließlich von Ryanair genutzt wird. Die Investitionen und der defizitäre Betrieb wurden und werden mit Steuergeld finanziert. Das wirft die Frage auf, wie die Politik hierzulande und in der EU mit der Luftfahrt umgeht. Es dürfte kaum einen wirtschaftspolitischen Schauplatz geben, wo es derart inkonsistent zugeht. Zwar macht sich die EU-Kommission seit mehr als zwei Dekaden für die Liberalisierung der Fliegerei stark.
Doch wenn es hart auf hart kommt, knickt sie ein. Dadurch wurden Airlines in der Luft gehalten, die längst nicht mehr flugfähig waren. Das hat Preiskämpfe der Fluggesellschaften zusätzlich angeheizt, unter denen auch Air Berlin gelitten hat. Alitalia etwa wurde gleich mehrmals durch Geld vom italienischen Staat vor einem endgültigen Absturz gerettet – aus diesem Grund wird die EU-Kommission nun auch den Sofortkredit für Air Berlin durchwinken.
In fünf bis zehn Jahren teilen sich drei Airlines den Kontinent Europa
Brüssel hat sich zugleich auf eine verkappte Art und Weise als Förderer der Billigfliegerei profiliert, was sich unter anderem darin äußert, dass über deren Subventionierung durch Flughafenbetreiber (siehe oben) großzügig hinweggesehen wird. Begünstigt wird das noch dadurch, dass es in keinem EU-Staat eine vernünftige Flughafenplanung gibt - mit der Folge, dass die öffentlichen Betreiber vielfach gegeneinander um Billigfieger buhlen, sehr zur Freude von Ryanair und Co.
Wenn die „Konsolidierung“ so weitergeht, landen wir als Konsequenz einer vermurksten Luftfahrtpolitik in fünf bis zehn Jahren in der schlechtesten aller möglichen Welten. Dann werden drei große Konzerne die Langstreckenfliegerei auf dem alten Kontinent unter sich aufteilen: nämlich die Lufthansa-Gruppe, Air France-KLM und IAG (British Airways/Iberia). Um die Fluggäste im Kontinentalverkehr wird sich ein gutes Dutzend von Anbietern zanken. Dazu dürften die Billigsparten der großen Drei, die britische Easyjet und als alles dominierender Marktführer Ryanair zählen.
Das Personal wird stark leiden
Der sogenannte Low-Cost-Sektor wird dadurch geprägt sein, dass die Anbieter mit den gleichen Maschinen von Airbus oder Boeing unterwegs sein werden. Sie werden Kerosin zu annähernd gleichen Preisen tanken. Wer im Wettbewerb vorne sein will, muss deshalb die Aufwendungen für den Flugbetrieb auf ein Minimum drücken. Neben Flughafengebühren sind die Personalkosten die wichtigen Faktoren. Hier geht Ryanair mit schlechtem Beispiel voran.
Die Iren verstehen sich bestens darauf, Grauzonen in den Regelwerken der europäischen Staaten auszunutzen, um Löhne und Gehälter zu drücken. Wenn die Politiker nicht aufpassen, haben wir es in naher Zukunft mit Flughäfen zu tun, die mit immer mehr Steuergeld subventioniert werden. Und an diesen Flughäfen werden Frauen und Männer in prekären Arbeitsverhältnissen ihr Geld verdienen. Selbiges wird sich beim fliegenden Personal einstellen.
Insolvenz als Weckruf
Die Pleite von Air Berlin lässt sich als Weckruf lesen, um die Luftfahrtpolitik in Europa neu zu justieren. Wir brauchen eine konsistente EU-Strategie, die das Gebühren-Dumping der Flughäfen und das Lohndumping der Billigflieger stoppt.