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Spitzentreffen in Frankfurt Kaiser's Tengelmann: Spitzentreffen erzielt Durchbruch für Supermarktkette

Von Frank-Thomas Wenzel 06.10.2016, 16:04
Beim Spitzentreffen zu Kaiser's Tengelmann ist ein Durchruch erzielt worden.
Beim Spitzentreffen zu Kaiser's Tengelmann ist ein Durchruch erzielt worden. dpa

Frankfurt - In letzter Minute haben sich die Chefs der großen Handelskonzerne doch noch darauf verständigt, die rund 15000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann (KT) zu erhalten. Allerdings müssen noch einige Hürden genommen werden. Experten warnen, dass die Rettungsaktion immer noch  schiefgehen kann.

Am Donnerstagnachmittag waren Markus Mosa (Edeka), Alain Caparros (Rewe) Karl-Erivan Haub (Tengelmann), Gerd Köber (Discounter Norma) und Franz-Friedrich Müller  (Handelskooperation Markant) in Frankfurt am Main zusammen gekommen, um eine Lösung für die die auf Eis gelegte Übernahme der defizitären Supermarktkette durch den Branchenprimus Edeka zu finden. 

Lösung bis 17. Oktober angestrebt

Der Deal war zunächst durch eine Sondererlaubnis von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) genehmigt worden. Doch Rewe, Norma und  Markant klagten dagegen und bekamen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Recht. Am Abend teilte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit: „Die Parteien haben sich auf das Ziel verständigt, dass die Ministererlaubnis nach Rücknahme der anhängigen Beschwerden umgesetzt werden kann und bis zum 17. Oktober 2016 eine einvernehmliche Einigung gefunden wird.“ Verdi-Chef Frank Bsirske und Stefanie Nutzenberger vom Bundesvorstand der Gewerkschaft fungierten bei den Verhandlungen als Moderatoren.

Zwei Jahre verbitterter Kampf

Insgesamt geht es um gut 15000 Arbeitsplätze und noch rund 400 Filialen in Berlin, NRW und Bayern. Hinzu kommen Logistikzentren, Fleischwerke und die Verwaltung der Handelskette – KT macht seit mehr  als einem Jahrzehnt Verluste. Derzeit sollen es um die zehn Millionen Euro pro Monat sein.

Die Einigung von Frankfurt ist lediglich ein erster Schritt, mit dem viele Beobachter allerdings nicht mehr gerechnet hatten. Seit gut zwei Jahren wird um den Kaiser’s-Edeka-Deal verbittert gekämpft. Allen voran hat sich Rewe-Chef Caparros gegen die Übernahme gestemmt.

Die alles entscheidende Frage ist nun, welche Gegenleistung Rewe und auch Markant und Norma für die Rücknahme ihre Klagen erhalten. „Die Parteien haben sich bis zum 18. Oktober 2016 zu Stillschweigen verpflichtet“, heißt es dazu von Verdi. Unter Experten besteht kein Zweifel, dass Edeka einen hohen Preis zahlen muss, denn die drei Kläger hätten die Fusion mit juristischen Mitteln für Jahre blockieren können.

Überlässt Edeka der Konkurrenz ein paar Filialen?

Am Donnerstagabend kursierte die Vermutung, dass Edeka möglicherweise doch nicht alle KT-Filialen übernimmt und attraktive Standorte in Berlin, München und anderen Großstädten den Konkurrenten überlässt. Als Variante wird gehandelt, dass Edeka Märkte in angestammten Regionen an Rewe und Co abgibt. Die hiesige Nummer eins ist insbesondere im nördlichen Teil der Republik stark vertreten. Beobachter gehen davon aus, dass es bei der Kompensation noch vieles geklärt werden muss, dass die Verhandlungen sogar noch scheitern könnten.

Eine endgültige Lösung muss überdies auch  den Segen der Wettbewerbshüter bekommen und juristisch wasserdicht sein. Das Kartellamt hatte den Deal untersagt, weil die Behörde befürchtet, dass Konkurrenzkampf im Lebensmitteleinzelhandel noch stärker beschränkt wird als dies ohnehin schon der Fall ist. In München oder Berlin etwa könnte Edeka seine marktbeherrschende Position noch weiter ausbauen und kleinere Rivalen verdrängen. Zudem hätte die hiesige Nummer eins eine stärkere Position bei Verhandlungen mit Herstellern, weil die Gruppe riesige Mengen abnehmen und dadurch hohe Rabatte herausschlagen könnte.     

„Gute Nachricht für alle Beschäftigten“

Rainer Schroers, Kaiser's-Tengelmann-Betriebsratschef in NRW, sprach am Donnerstagabend in einer ersten Reaktion von einer „guten Nachricht für alle Beschäftigten“. Der Kompromiss ist denn auch ein großer Erfolg für Verdi. Die Gewerkschaft hat Einmaliges durchgesetzt, das auch Vorbild für künftige Übernahmen sein könnte: Für die rund 15000 Stellen wurden Tarifverträge geschaffen werden, die die Beschäftigen für mehr als fünf Jahre vor betriebsbedingten Änderungs- und Beendigungskündigungen schützen. Entlassungen mit Hinweis auf die wirtschaftliche Lage der Firma sind nicht möglich. Auch Versetzungen sind nur schwer durchzudrücken. Außerdem wird der Bestand  aller Standorte für ebenfalls mindestens fünf Jahre gesichert. Die Verträge sind mit der Ministererlaubnis verknüpft. Würde diese doch noch unwirksam, gelten auch die Tarifverträge nicht mehr.   

Tengelmann-Chef Haub hatte bei einem Scheitern der Verhandlungen damit gedroht, noch am Freitag die Zerschlagung der Lebensmittelmittelkette einzuleiten. Der Kaufvertrag mit Edeka wäre annulliert worden, das Tengelmann-Management wollte mit verschiedenen Interessenten über den Verkauf von einzelnen Filialen verhandeln. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte es dann insbesondere für Märkte in NRW keine Zukunft gegeben. Hochgradig gefährdet waren auch Logistikzentren, Fleischwerke und die Verwaltung.  Denn jeder große Handelskonzern ist in der Lage, deren Aufgaben mit eigenen Ressourcen abzudecken.