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Jobbörse in Wittenberg Jobbörse in Wittenberg: Warum Unternehmen der Region auf Flüchtlinge setzen

Von Julius Lukas 03.05.2016, 16:54
Der syrische Flüchtling Jassem Jassem im Gespräch mit Orthopädieschuhmacher Frank Bergholz.
Der syrische Flüchtling Jassem Jassem im Gespräch mit Orthopädieschuhmacher Frank Bergholz. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Glücklich sieht Frank Bergholz gerade nicht aus. Der Orthopädieschuhmachermeister, ein robuster Typ mit Schnauzbart und in grellgrünem Hemd, steht am Dienstagnachmittag im Rathaus von Wittenberg in einem großen Saal. Die Decke ist mit dunklem Holz vertäfelt, an der Wand hängt ein historisches Gemälde. „Bisher haben wir noch keinen gefunden, der passt“, sagt Bergholz und schaut auf seine Uhr. „Eine von zwei Stunden ist schon rum“, meint er. „Na mal sehen, ob das noch etwas wird.“

Mitarbeiter dringend gesucht

Bergholz sucht Mitarbeiter für seine Orthopädie- und Schuhtechnik-Firma - dringend, sehr dringend sogar. Deswegen erschien ihm die Mini-Jobbörse, die die Arbeitsagentur Dessau-Roßlau-Wittenberg am Dienstag im Rathaus veranstaltete, gerade richtig. Eingeladen waren dort nämlich neben fünf Unternehmen auch 45 Syrer, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen. Die sollten die Firmen kennenlernen, eine Art Job-Speed-Dating für Geflüchtete.

„In dieser Form machen wir das heute das erste Mal“, sagt Marcus Helbig. Er ist Teamleiter beim Arbeitgeberservice und hat die Jobbörse mit auf die Beine gestellt. Seine Behörde betreut zusammen mit den zwei Jobcentern der Region gut 1 350 Geflüchtete, die in Deutschland arbeiten dürfen und deswegen als arbeitssuchend gelten. „Wenn nur einer der 45 Leute, hier heute Arbeit bekommt, dann wäre das schon ein Erfolg“, sagt Helbig.

Syrer will arbeiten

Dieser Erfolg könnte Jassem Jassem sein. Er heißt wirklich so. „In Syrien ist es nicht ungewöhnlich, dass Vor- und Nachname gleich lauten“, sagt der 30-Jährige lächelnd. Er trägt eine dunkle Hose und einen dunklen Pullover, aus dem oben ein weißer Kragen herausschaut. Ein Bewerbungsoutfit, wie es viel besser nicht sein könnte. Neben Jassem steht ein Übersetzer, doch der hat kaum etwas zu tun - vier Monate Deutsch-Sprachkurs können einiges bewirken.

Seit September ist der junge Syrer aus Aleppo in Deutschland. Bevor Jassem herkam, lebte er bereits lange als Flüchtling im Libanon. Dort studierte er auch: Biologie mit Bachelor und Master-Abschluss. „Dann habe ich fünf Jahre als Chemielaborant gearbeitet“, erzählt Jassem und Marcus Helbig wird gleich hellhörig. „Chemielaborant“, sagt der Teamleiter von der Arbeitsagentur. Seine Kollegin schaut kurz im Computer nach und wird gleich fündig: „Eine Firma aus der Gegend braucht gerade einen Chemielaboranten für 20 Stunden in der Woche“, sagt sie mit sichtlicher Freude. Nummern werden ausgetauscht, ein erstes Treffen arrangiert. „Ich probier das aus“, meint Jassem.

Gabelstaplerfahrer gesucht

So läuft es am Dienstagnachmittag im Rathaus von Wittenberg durchaus öfter. Die meisten Bewerber tummeln sich dabei am Stand von Randstad, einer Zeitarbeitsfirma. Gabelstaplerfahrer werden hier gesucht, aber auch Pflegekräfte und Schweißer. „Uns ist es vollkommen egal, wo jemand herkommt“, meint Katharina Dietz von Randstad. Hauptsache, er habe Interesse, zu arbeiten. „Und das trifft heute für die meisten hier zu“, sagt sie. Eine ihrer größten Baustellen liegt für Dietz allerdings weniger bei den Bewerbern: „Für uns ist es noch schwierig, die Unternehmen davon zu überzeugen, Geflüchtete als potenzielle Mitarbeiter zu sehen.“ Das zeigt sich am Dienstag auch daran, dass zwei von fünf Unternehmen gar nicht erst zur Jobbörse gekommen sind.

Gegen Ende der Veranstaltung hat dann auch Frank Bergholz noch Glück. Ein schmächtiger Syrer kommt zu seinem Stand und sagt, dass er arbeiten will. „Schon ab kommenden Montag macht er eine Woche Praktikum bei uns“, erzählt der Orthopädieschuhmachermeister und ein leichtes Lächeln huscht über sein Gesicht. Erst mal könne der Syrer Hilfsarbeiten machen. „Dass wir ihn dann weiter qualifizieren, wäre gut vorstellbar“, sagt Bergholz. Er wolle sich aber nicht zu früh freuen. „Wissen, ob es wirklich passt, werden wir ja erst in ein paar Wochen.“ (mz)