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Insolvenzantrag Insolvenzantrag: Lufthansa an Teilen von Air Berlin interessiert

Von Frank-Thomas Wenzel 15.08.2017, 15:58
Nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin steht die Fluggesellschaft mit der Lufthansa in Verhandlungen.
Nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin steht die Fluggesellschaft mit der Lufthansa in Verhandlungen. dpa

Berlin - Das sieht nach einer besonderen Art des Durchstartens aus. Das Management von Air Berlin erklärte am Dienstag seine Zahlungsunfähigkeit und teilt zugleich mit, dass man mit dem größeren Konkurrenten Lufthansa in Verhandlungen stehe. Von der Übernahme von Betriebsteilen war am Dienstagmittag die Rede.

Der Reihe nach: Deutschlands zweitgrößte Airline kann die Forderungen von Kreditgebern und Lieferanten nicht mehr bezahlen, da der Hauptaktionär und wichtigste Geldgeber seine Zahlungen eingestellt hat: Es handelt sich um Etihad, der staatlichen Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate. Man habe den Insolvenzantrag gestellt, da „keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“, hieß es in einer Pflichtmitteilung an die Börse. Das zuständige Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ordnete ein Verfahren Eigenverwaltung an. Zum sogenannten Sachwalter wurde der Rechtsanwalt Lucas Flöther bestimmt. Das Management kann aber weitgehend eigenständig weiterarbeiten.

Die Bundesregierung sprang Air Berlin sofort zur Seite. Sie stellt einen Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro bereit. Das Geld dient dazu, den Flugbetrieb bis November fortzuführen. Zuallererst sollen Kunden von Air Berlin, die sich zum Ende der Sommersaison noch an ihrem Urlaubsort befinden, nach Hause geflogen werden. Auch der Airport Düsseldorf bot seine Hilfe für einen Neustart an. Air Berlin ist seit Jahren der wichtigste Anbieter an dem Flughafen.

Bundesregierung und Lufthansa schienen vorbereitet

Das alles sieht danach aus, dass die Insolvenz nicht plötzlich und überraschend hereingebrochen ist, sondern dass Bundesregierung und Lufthansa vorbereitet waren. Hintergrund: Seit Monaten wird darüber verhandelt, wie der hiesige Marktführer das seit Jahren darbende Unternehmen aus der Hauptstadt retten kann. Die Lufthansa hat bereits 35 Flugzeuge nebst Crews von Air Berlin langfristig gemietet.

Man unterstütze gemeinsam mit der Bundesregierung die Restrukturierungsbemühungen der Fluggesellschaft, sagte ein LH-Sprecher am Dienstagnachmittag. Er fügt hinzu, dass über die Übernahme von Teilen der Unternehmensgruppe verhandelt werde. Das könne sich auch Personal einschließen. Es sei beabsichtigt, „diese Verhandlungen zu einem schnellen und positiven Ergebnis zu führen.“ Dabei dürfte auch hilfreich sein, dass bei Air Berlin mit Thomas Winkelmann ein Manager auf dem Chefsessel sitzt, der viele Jahre bei der Lufthansa gearbeitet hat und mit Konzernboss Carsten Spohr befreundet ist.

Kartellrechtliche Fragen offen

Spohr hatte indes mehrfach sein Interesse an Air Berlin mehr als deutlich gemacht. Zugleich stellte er als Bedingung, dass das Unternehmen seine Kosten senken müsse. Zudem sei er nicht bereit, die hohen Schulden der Hauptstadt-Airline, es sollen um die 1,5 Milliarden Euro sein, zu übernehmen. Drittens müssten kartellrechtliche Fragen geklärt werden – immerhin handelt es sich die beiden größten deutschen Airlines. Mit einem Insolvenzverfahren lassen sich nach Einschätzung von Experten diese Probleme zumindest in großen Teilen klären. Ein Szenario, das in den vergangenen Monaten immer wieder diskutiert wurde, läuft darauf hinaus, dass sich die Lufthansa vor allem die Maschinen inklusive der Besatzungen sichert. Ein mutmaßlich kleinerer Teil der Verwaltung könnte übernommen werden. Das würde aber gleichwohl auf einen massiven Stellenabbau beim Bodenpersonal hinauslaufen - rund 8000 Männer und Frauen sind bei Air Berlin noch beschäftigt. Kartellrechtliche Probleme könnten umschifft werden, da nur einzelne Geschäftsfelder übernommen werden.

Allerdings stellt sich die Frage, wie die Wettbewerbshüter der EU-Kommission und Konkurrenten in Europa die Angelegenheit einschätzen. Ryanair-Sprecher Robin Kiely kritisierte denn auch, der Insolvenzantrag sei „ganz eindeutig“ mit dem Ziel arrangiert worden, dass Lufthansa die Air Berlin übernehmen könne. Dies werde gegen alle deutschen und EU-Wettbewerbsregeln verstoßen, zumal die deutsche Regierung den von Lufthansa initiierten Deal mit staatlichen Beihilfen unterstütze.

Kritik von Ufo und Cockpit

Gegenwind gab es auch von Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo. Alle Bereiche inklusive des Bodenpersonals und der Technik müssten gesichert werden, verlangte Tarifvorstand Nicoley Baublies. „An einer Filetierung oder einem Komplettausverkauf der Bedingungen werden wir uns nicht beteiligen.“ Auch Verdi forderte, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit warf Etihad vor, man lasse Air Berlin „fallen wie eine heiße Kartoffel, obwohl neue Investoren Interesse signalisiert haben“.

Etihad ist einerseits mit einem 29,2 Prozent starken Aktienpaket Großaktionär bei Air Berlin. Zugleich haben die Araber das Unternehmen in der Vergangenheit mehrfach mit Finanzspritzen in der Luft gehalten, die jeweils dreistellige Millionenbeträge ausmachten. Ohne dieses Geld wäre die Insolvenz schon viel früher geschehen. Etihad verfolgte mittels massiver staatlicher Subventionen jahrelang eine aggressive Expansionsstrategie, dazu gehörten Beteiligungen an europäischen Airlines.

Verfall der Ölpreise führte zu Strategiewechsel

Doch mit dem Verfall der Ölpreise wurden die Manager zu einem Strategiewechsel gezwungen, sie stellten den Unterstützung ihrer europäischen Beteiligungen sukzessive ein. Dadurch verschlechterte sich die Lage von Air Berlin in den vergangenen Monaten dramatisch. Der Umsatz brach im ersten Quartal auf 650 Millionen Euro ein – nach 737 Millionen im Vorjahr. Der Verlust aus der betrieblichen Tätigkeit machte 272 Millionen Euro aus, das sind 100 Millionen mehr als in den ersten drei Monaten 2016. Eine überstürzte Umstrukturierung brachte zusätzliche Turbulenzen: Wegen Personalmangels mussten immer wieder Flüge gestrichen werden. Beschäftigte berichten von Chaos in der Personalplanung. Die Spirale nach unten drehte nach einer geplatzten Fusion der österreichischen Tochter Niki mit Tuifly seit Anfang Juni noch schneller. Gleichwohl hat der Ferienflieger 14 Jets an Niki vermietet. Umgekehrt schickt der Tui-Konzern einen Teil seiner Kunden in Ai-Berlin-Flugzeugen auf Reisen. „Wir sind involviert in die aktuellen Planungen und begleiten sie konstruktiv“, sagte ein Tui-Sprecher, ohne Details zu nennen.

Etihad teilte am Dienstag mit, im April seien noch einmal 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden und die Airline sei bei „der Überprüfung strategischer Geschäftsoptionen“ unterstützt worden. Allerdings habe sich das Geschäft rapide verschlechtert, was dazu führte, dass „entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden konnten“. Agenturberichten zufolge sollen die Araber vorige Woche eine weitere Kredittranche über 50 Millionen Euro nicht mehr überwiesen haben.