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Gerichtsentscheid erwartet Diesel-Fahrverbote: Sind Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zulässig? - Bundesverwaltungsgericht entscheidet

Von Frank-Thomas Wenzel 22.02.2018, 06:00
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt und entscheidet über mögliche Dieselfahrverbote. (Symbolbild)
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt und entscheidet über mögliche Dieselfahrverbote. (Symbolbild) dpa

Frankfurt - Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet am Donnerstag, ob Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zulässig sind. Wir erläutern, was die Entscheidung konkret für Städte mit hoher Stickoxidbelastung bedeutet und wann die ersten Tabuzonen für die Selbstzünder ausgewiesen werden könnten.

Womit befassen sich die Richter am Bundesverwaltungsgericht überhaupt?

Sie überprüfen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Stuttgart. Diese hatten aufgrund von Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) entschieden, dass die von der EU vorgeschriebenen Luftreinhaltepläne für die beiden Städte unzulänglich sind, um die Grenzwerte beim giftigen Stickoxid (NOX) einzuhalten. In Düsseldorf wurde entschieden, dass bei der Überarbeitung der Pläne Fahrverbote „ernstlich geprüft“ werden müssten. Das Stuttgarter Gericht bezeichnete die Verkehrsbeschränkungen sogar als „effektivste Maßnahme“ – der Gesundheitsschutz der Bürger sei dabei höher zu bewerten als die Interessen der Fahrer von Diesel-Autos. Zu viel Stickoxid in der Atemluft verursacht chronische Atemwegserkrankungen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fahrverbote als zulässig erklärt werden?

Relativ hoch. Insbesondere das Stuttgarter Gericht habe schon sehr gründlich und umsichtig gearbeitet, heißt es unter Insidern. Auch Oliver Wittig, Experte für Öffentliches Recht beim Beratungsunternehmen EY, hält es für die wahrscheinlichste Variante, dass das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

Wann werden dann Fahrverbote ausgesprochen?

Das Bundesverwaltungsgericht selbst kann keine Fahrverbote aussprechen. Vielmehr müssten zunächst einmal nur Düsseldorf und Stuttgart ihre Luftreinhaltepläne unverzüglich überarbeiten. „In dem Düsseldorfer Urteil wird als schnellstmöglich ein zeitlicher Orientierungsrahmen von einem Jahr definiert“, erläutert Wittig.

Durchaus denkbar sei aber auch, dass die neuen Pläne schon im August/September in Kraft gesetzt werden. Sollten dann NOX-Werte an bestimmten Messstellen noch immer deutlich über dem Grenzwert liegen, könnten im Herbst Fahrverbote erlassen werden. Aber auch eine Verzögerung bis ins Frühjahr 2019 ist denkbar.

Wo dürften Dieselautos dann nicht mehr fahren?

Das kommt auf die jeweilige Situation in den Städten an. In Düsseldorf könnte lediglich die Corneliusstraße zeitweise für Dieselfahrzeuge gesperrt werden, die nicht die strenge Euro-6-Abgasnorm erfüllen - an der dortigen Messstelle wurden massive Überschreitungen registriert: 40 Mikrogramm NOX sind pro Kubikmeter Luft im Jahresdurchschnitt erlaubt, 56 Mikrogramm waren es 2017. In Stuttgart könnten größere Areale der Innenstadt gesperrt werden, da dort an drei Messstellen der Grenzwerte gerissen wurde.

Was bedeutet das alles für andere Städte?

Wie Wittig rechnen viele Experte rechnet damit, dass andere Kommunen nachziehen müssen, da die DUH mit weiteren Klagen Druck machen will. Nach Berechnungen des CAR-Instituts der Uni Duisburg-Essen wären auf der Grundlage aktueller Daten insgesamt 35 Städten betroffen - darunter Berlin, Köln, Frankfurt, München, Hamburg, aber auch Wiesbaden, Mannheim und Mainz.

Wie können die Tabuzonen dem Autofahrer angezeigt und kontrolliert werden?

Das ist umstritten. Einerseits ist immer wieder zuhören, dass erst zusätzliche Verkehrsschilder eingeführt werden müssen. Die andere Position sei, so Wittig, dass man eine – zeitlich gegebenenfalls befristete - Umweltzone ausschildern könne, wobei die unbeschränkte Zufahrt mit der grünen Plakette für Diesel-Autos nicht gelten dürfe – mit Ausnahme beispielsweise der Euro-6-Fahrzeuge. Kontrollieren lasse sich das durch das Einrichten von Langsamfahrzonen, in denen Polizisten die vorbeifahrenden Fahrzeuge überprüfen.

Besteht nicht die Gefahr, dass alte Stinker die Verbotszonen umfahren, damit aber anderswo für mehr Belastungen sorgen?

Genau deshalb braucht es eine intelligente Planung in den Städten. Um die schlichte Verlagerung von Belastungen zu vermeiden, können größere Verbotszonen ausgewiesen.

Das kann so weit gehen, dass ganze Innenstädte für alte Diesel gesperrt werden müssten. Deshalb warnen Bürgermeister davor, dass städtisches Leben weitgehend lahmgelegt werden kann.

Was passiert mit Fahrzeugen der Polizei, der Rettungsdienste und was mit Lieferwagen?

Klar ist, dass es Ausnahmegenehmigungen geben muss – für Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste. Komplizierter wird das etwa bei Autos, die Apotheken mit wichtigen Medikamenten beliefern oder bei Fahrzeugen von Lieferdiensten und Handwerkern: Viele können sich die komplette Erneuerung ihrer automobilen Flotten nicht leisten. Das könnte noch zu sehr komplizierten Diskussionen führen.

Welche Rolle spielt die mögliche Hardware-Nachrüstung von Pkw?

CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer hält die Nachrüstung älterer Diesel mit zusätzlichen Katalysatoren für unerlässlich, um die Grenzwerte zu erreichen. Ähnlich sieht es EY-Verkehrsexperte Peter Fuß. „Der Druck im Kessel wächst.“ Deshalb brauche es darüber hinaus eine konzertierte Aktion. Dazu zähle insbesondere ein besserer ÖPNV. Wichtig sei, die aktuelle Verunsicherung der Autofahrer zu beseitigen. Das sei letztlich auch im Interesse der Autobauer, da sie auch in Zukunft saubere Diesel verkaufen wollten.