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Die Prora-Pleite Die Prora-Pleite: Die Folgen nach der Insolvenz für die Nachbarn auf Rügen

Von Gabriela Keller und Ulrich Paul 16.08.2018, 06:21
Ein Investor des ehemaligen KdF-Komplexes Prora hat Insolvenz angemeldet.
Ein Investor des ehemaligen KdF-Komplexes Prora hat Insolvenz angemeldet. ZB

Prora/Berlin - Luxuswohnungen an der Ostsee, eine kolossale Ferienanlage aus der NS-Zeit, ein neuer Ortsteil, der am Rand des Seebads Binz entsteht – die aufwendige Sanierung des kilometerlangen Komplexes in Prora auf Rügen ist mit großen Erwartungen verknüpft. Jetzt aber sorgt die Insolvenz eines der Investoren mitten in der Hauptsaison für Unruhe.

„Es ist schon ein Rückschritt“, sagt Ronald Rambow, Vorstandsvorsitzender des Fremdenverkehrsvereins Binz/Rügen. Die Berliner Investorenfirma „Wohnen in Prora Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG“ hatte vor vier Jahren begonnen, Block 1 des insgesamt 2,5 Kilometer langen Gebäuderiegels zu sanieren; die übrigen vier Blöcke sind nicht betroffen.

Nachricht von der Insolvenz macht viele Menschen auf Rügen nervös

Trotzdem macht die Nachricht von der Insolvenz viele Menschen auf Rügen nervös. „Die Strandpromenade vor dem Block sollte verlängert werden“, sagt Rambow, „da ist es unschön, wenn dann ein Kuckuck am Gebäude klebt.“

Die Investoren erklären ihren Insolvenzantrag mit einer Entscheidung der finanzierenden Bank. „Unser Bankdarlehen wurde bedauerlicherweise nicht ein weiteres Mal verlängert“,  so das Geschäftspaar Iris Hegerich und Gerd Grochowiak. „Trotz aller Bemühungen sind die Verhandlungen am 31. Juli 2018 endgültig gescheitert.“

Fast alle Wohnungen in Block 1 in Prora verkauft

Die Schwierigkeiten, die zum verlängerten Kreditbedarf geführt hätten, lägen zum einen in einer erheblichen Bauzeitverlängerung mit damit verbundenen Mehrkosten. „Zum anderen haben wir uns vom Generalunternehmer wegen unerfüllbarer Forderungen mitten in der Bauphase trennen müssen“, so Hegerich und Grochowiak.

Zu Verzögerungen sei es beispielsweise gekommen, weil behördliche Auflagen lange gedauert hätten. Die meisten der 280 Wohnungen in Block 1, die für 3.500 bis 8.000 Euro pro Quadratmeter angeboten wurden, sind aber verkauft. Nur drei seien noch zu haben.

Prora steht für den Größenwahn der Nazis

Der Insolvenzverwalter Philipp Hackländer von der Kanzlei White & Case erklärte am Mittwoch,  die verkauften Wohnungen seien bereits übergeben und bezogen. Das  Gemeinschaftseigentum – Grünanlagen, Parkplätze und Straßen – sei aber „noch nicht vollständig fertig“. Laut Hegerich und Grochowiak wurden auch  geplante Gewerbeeinheiten noch nicht realisiert.

Prora steht für den Größenwahn der Nazis. Diese wollten auf Rügen  Ferienunterkünfte für 20.000 Menschen bauen. Zwar wurden die Arbeiten 1936 gestartet, aber nach Beginn des Zweiten Weltkrieges  wieder eingestellt. Ursprünglich bestand die Anlage aus acht Blöcken, die sich auf einer Länge von 4,5 Kilometer am Ostseestrand entlangzogen.

Fünf Blöcke sind heute noch übrig. Ein Teil wurde mittlerweile saniert.  Die Erwerber der Wohnungen in Block 1 haben nach Angaben des Insolvenzverwalters 91,5 Prozent der Kaufpreise gezahlt – wie es vertraglich vereinbart wurde. „Für die Käufer sind Eigentumsvormerkungen in den Grundbüchern eingetragen, die ihre Ansprüche sichern“, so Hackländer. 

„Wir bedauern die Entwicklung im Block 1“

Nach Makler- und Bauträgerverordnung zahlen Käufer ihre Raten  je nach Baufortschritt. Solange nicht sämtliche Arbeiten erbracht sind, ist der volle Preis nicht fällig. „Wurde dieses übliche Vorgehen hier eingehalten, sind die Risiken der Anleger begrenzt“, sagt Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.   Insolvenzverwalter  Hackländer kündigte an, er wolle die Arbeiten mit Hilfe des Hauptgläubigers „noch 2018“ fertigstellen.

Die Nachbarschaft ist über die Pleite nicht erfreut. „Wir bedauern die Entwicklung im Block 1, sehen sie aber nicht als grundsätzlichen Rückschlag für die Gesamtentwicklung von Prora“, sagt Ulrich Busch, Investor und Gründer des Hotels Prora Solitaire, das 2015 im Block 2 in Betrieb ging.

„Wenn der Insolvenzverwalter mit dem dort fast abgeschlossenen Projekt verantwortungsvoll umgeht, kann das auch  erfolgreich für alle Beteiligten gemanagt werden.“ Busch will nichts auf den Standort kommen lassen. Das Hotel sei im dritten Jahr am Markt. „Wir sind derzeit wieder zu fast 100 Prozent ausgebucht“, sagt er. Im kommenden Jahr würden in der zweiten Reihe weitere 80 Eigentumswohnungen  entstehen, so Busch.

„Es ist dramatisch und ärgerlich und wirft nicht unbedingt ein gutes Licht auf den Namen Prora“

Im Rathaus will niemand das Scheitern der Berliner Firma kommentieren. Bürgermeister Karsten Schneider ist in Urlaub, sein Stellvertreter Axel Behrens äußerte sich nicht, nur so viel: „Wir werden Anfang nächster Woche intern in der Verwaltung diskutieren, was das bedeutet. Vorher gibt es keine Auskunft.“

In jedem Fall ist die Nachricht von der Pleite für viele Menschen in Binz ein Schlag. „Es ist dramatisch und ärgerlich und wirft nicht unbedingt ein gutes Licht auf den Namen Prora“, sagt Ulf Dohrmann, Vorstandsvorsitzender der CDU-Ortsgruppe Binz, die Folgen träfen vor allem die Handwerksbetriebe, die an der Sanierung des Blocks mitgearbeitet haben und jetzt womöglich auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben. Zwar sei vieles in Block 1 fertig.

Für die Gemeinde bringe die Insolvenz aber dennoch einige Ungewissheiten mit sich, etwa die Frage, wie es nun mit der geplanten Promenade weitergehen soll: Mit der Firma „Wohnen in Prora“ war abgesprochen, dass die Gemeinde den Flanierweg auf dem Grundstück des Investors bauen kann – nun müsse der Insolvenzverwalter entscheiden, wie es damit weitergeht.

Die Gemeinde rechnet damit, dass in Prora einmal 2.000 neue Anwohner leben werden und 3.500 Betten für Touristen entstehen. Schon jetzt gibt es auf Rügen 64.000 Betten für Feriengäste, allein 15.300 in Binz, zu viel für die Insel, meinen Kritiker. (red)