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KdF-Bad auf Rügen KdF-Bad auf Rügen: Nazi-Klotz auf Prora wird zu Hotel

Von Bernhard Honnigfort 29.05.2018, 12:00

Prora - Prora. Ein Container, zwei Korbsessel davor, ein Frau, die auf ihren Mann wartet und hofft, dass er keinen Unfug macht. „Den Prospekt mitnehmen kann man ja mal“, sagt sie, während ihr Mann im Container „Beratung und Verkauf“ steht und dem Berater und Verkäufer zuhört.

Ein Rentnerpaar aus dem Ruhrgebiet, sie machen Urlaub auf Rügen. Es ist Sonnabend, ein leicht frischer Wind streicht von der Ostsee aufs Land, die Sonne scheint, etwas Möwengeschrei und noch mehr Baulärm, Handwerker bohren unentwegt Löcher in Beton.

Das Paar ist das kurze Stück mit dem Rad aus Binz gekommen, wollen sich alles mal ansehen. In der Zeitung, ja, da haben sie schon mal etwas gelesen über dieses seltsame Bauwerk aus der Nazizeit, das nie fertig wurde. Über vier Kilometer lang, ein Riegel aus gewaltigen Blöcken mit 20.000 Wohnungen.

Direkt am Strand im Bogen der Prorer Wiek, Erholung für Wehrmachtssoldaten. So hatte Adolf Hitler sich das in den Dreißigerjahren vorgestellt. Als 1939 der Krieg begann, endeten die Bauarbeiten, und die Maurer zogen weiter. Die Ruinen blieben bis heute.

„Aber wenn man selbst davor steht“, sagt die Frau im Korbsessel. „Ist schon unglaublich. Kann man sich so gar nicht vorstellen. Muss man gesehen haben.“ Sie nickt dazu.

Wohnungen auf Prora kaufen: Investitionen im KdF-Bad auf Rügen

„Mein Stück Rügen“ steht auf dem Prospekt in ihrer Hand. Das Titelfoto zeigt die Ostsee, am linken Rand die Kreidefelsen, eine Frauenhand hält ein silbernes Tablett im Vordergrund, eine schicke Wohnung mit flackerndem Kamin als Tortenstück darauf, oben noch ein Sahneklecks mit der Beschriftung: „Mit Denkmal AfA“.

Ein Stück Kuchen mit Steuer-Abschreibung, wer kann da widerstehen, wenn einem so sahne-süß Wohnungen zum Kauf angeboten werden. Ihr Mann kommt aus dem Container, andere drängen hinein, die Tür ist nie zu. Raus, rein, rein, raus. „Mal sehen“, sagt er zu seiner Frau. Abwarten, er will zu Hause in Ruhe überlegen, nichts übers Knie brechen, ist ja viel Geld.

Eine Frau aus Trier folgt ihm aus dem Container. Auch sie hat den Tortenwohnungs-Prospekt in der Hand, war beim Verkäufer/Berater, weil sie mal genau die Zahlen hören wollte, die nicht auf dem Werbeflyer stehen. „3500 Euro pro Quadratmeter im Erdgeschoss mit Terrasse, 6500 Euro oben mit Anteil an der Dachterrasse“, erzählt sie. Und? Am Kauf einer Wohnung interessiert? „Auf keinen Fall“, sagt sie. „Das ist nichts für mich.“

KdF-Bad auf Rügen wird zu Wohnungen umgebaut: Block 2 ist fertig

Für andere schon. Block 2 ist fertig, als Einziger, ein Hotel ist daraus geworden. So ein einzelner Prora-Block ist, damit man sich das einmal vorstellen kann, rund 500 Meter breit, hat also Platz für Hunderte Wohnungen.

Prora Solitaire heißt das Hotel: innen schicke Apartments, ein spektakuläres Foyer, hell und luftig, modern, gediegen, ein feines Restaurant, zwei Pools auf der Strandseite, einer im Erdgeschoss, Sauna, Fitness.

Auf der Hotelterrasse trinkt Horst Schmidt mit seiner Frau Kaffee. Der Ingenieur aus Sachsen-Anhalt hat sich vor ein paar Jahren gleich drei Wohnungen gekauft. Eine 60 Quadratmeter groß, eine 48, eine 43.

„Hochwertig saniert“, erzählt der frühere Geschäftsführer Technik der Mitteldeutschen Braunkohle AG. Eine Geldanlage. Die Wohnungen verpachtet er an das Hotel, das Hotel vermietet die Wohnungen an Gäste. „Wenn ich Glück habe, kriege ich im Sommer auch mal eine Woche ab“, sagt er. „Ist nämlich gut ausgebucht.“

Er sei ein echter Ostseeliebhaber, seit Ewigkeiten mache er Urlaub auf Rügen, erzählt er. 2012 sei er mit dem Kinderwagen an der Prora-Ruine vorbeigeschoben, die Bauarbeiten gingen gerade richtig los, die Verkaufscontainer wurden aufgestellt. Da habe er zugeschlagen.
„Alles richtig gemacht“, sagt er heute. Damals seien manche Wohnungen noch 30 bis 50 Prozent billiger gewesen als heute.

Er lacht, seine Frau nickt. Prora, das sei die Zukunft. Binz, das alte Seebad, sei mittlerweile völlig zugebaut, oft rappelvoll und unbezahlbar. „Wohnungen in zweiter, dritter und vierter Reihe.“ Prora sei anders. „Das wird, das war kein Fehler“, sagt er über seinen Kauf. „Man muss ja heute auch sehen, was man mit seinem Geld macht.“

Block 1 im KdF-Bad Prora auf Rügen wird zur Wohlfühl-Oase

Verrückte Zeiten. Hitlers Traum vom Ertüchtigungsbad für Soldaten wird gut 80 Jahre danach endlich zu Ende gebaut. Ein „weltberühmtes Baudenkmal“, schreibt das Unternehmen Neues-Prora auf seinen Plakatwänden vor Block 1, „wird hier zur Wohlfühl-Oase.“

Ein Abenteuerspielplatz für Investoren und Leute, die an ihren zinslosen Sparkonten verzweifeln. Jahrelang war Prora ein Albtraum für Bürgermeister, für Landräte, für dubiose Geschäftemacher. Ein Gebäude, zu groß, um wahr zu sein. Ein Gebirge aus Backstein, eine architektonische Überforderung, seelenlos in schönster Seelandschaft, sechs Etagen hoch und in der Länge schier unübersehbar. Ein Mega-Schwachsinn, zu dem nur Diktatoren fähig sind. Unvollendeter Gigantismus am vielleicht schönsten Strand Rügens überhaupt.

Und nun tut sich was. Nun zerlegen die Kräfte des Kapitalismus den unverdaulichen Diktatoren-Klotz, so gründlich wie geldgierig. Mundgerecht wird er zerteilt in unzählige Apartments mit Balkonen und unverbaubarem Seeblick, wird portioniert in Rundum-Sorglos-Pakete mit Wellness, Sauna, Einbauküchen und treibholzfarbenem Mobiliar nebst eingearbeiteter Wohlfühl-Garantie.

Außerdem, nicht zu vergessen, gibt es immer noch 70 Prozent Steuer-Abschreibung für Käufer, denn des Führers nutzloser Riegel hat es nach 1990 immerhin zu bundesdeutschem Denkmalschutz gebracht.

Fünf intakte Blöcke hat der kilometerlange Klotz heute noch. Acht waren es einmal. Block 1 wird angeblich 2019 fertig, in Block 2 residiert das Hotel Prora Solitaire des Projektentwicklers Ulrich Busch. Außerdem sind dort Hunderte Privat- und Ferienwohnungen eingebaut, ein Café, ein Fahrradladen, eine Pizzeria, ein kleines Burger-Restaurant.

Investoren in KdF-Bad auf Rügen: Kaufen, ohne je in Prora gewesen zu sein

Die Blöcke 3 und 4 sind noch im Umbau oder Rohbau, in Block 5 hat der Landkreis Rügen vor Jahren eine Jugendherberge untergebracht. Die restlichen Blöcke sind Ruinen, die der Wald sich über die Jahrzehnte zurückholte. In ihnen hausen Schwalben und Fledermäuse. Einen Block versuchten die Sowjets nach dem Krieg zu sprengen. Das wurde nichts, zu viel Mauerwerk.

Die Geschäfte scheinen gut zu laufen. Vor dem Hotel geht Manfred Hartwig, einer der Makler, auf und ab. Am Abend ist eine Eigentümerversammlung. Er hat noch einiges zu tun. „Es gibt tatsächlich Leute, die kaufen, ohne je hier gewesen zu sein“, erzählt er, während die Schranke vor dem Hotelparkplatz hochgeht. Ein Bentley rollt fast lautlos vor den Hoteleingang.

KdF-Bad in Prora: Urlaubsmaschine des Nazi-Reiches 

Prora sollte einmal die Urlaubsmaschine des Nazi-Reiches werden, ein leicht sichelförmiger Riegel für 20.000 Menschen, eine Stadt am Meer. Die NS-Organisation Kraft durch Freude (KdF) hatte Prora geplant. Zwei Wochen preisgünstiger Urlaub für alle, das war die große Idee dahinter.

Aber nicht für Muße, Entspannung und Ertüchtigung. Es ging immer um Kriegsvorbereitung und um Erholung für den Endsieg. In Prora sollten Soldaten und Parteigenossen einmal im Jahr „überholt“ werden, so hieß es tatsächlich, der Mensch war ein kleines Teil einer großen Kriegsmaschine: „Alles“, so beschrieb es Reichsleiter Robert Ley im Juli 1938, „dient nur dem einen, unser Volk stark zu machen, damit wir diese brennendste Frage, dass wir zu wenig Land haben, lösen können.“

Und so sollte das aussehen: 10.000 kleine Zimmer, jedes mit Blick auf die Ostsee, zweieinhalb mal fünf Meter klein, zwei Betten, ein Waschbecken, eine Sitzecke, ein Schrank, ein Lautsprecher für Führer-Reden und Marschmusik.

Dazu Kinos, zwei Theater mit jeweils 3000 Plätzen, Festhallen für 20.000 Menschen, Aufmarschplätze, zwei Seebrücken, 600 und 800 Meter lang, zehn Gemeinschaftshäuser, eine Gärtnerei, ein Wasserwerk, Bäckereien, ein Krankenhaus, Schlachtereien.

So war es geplant, so stand es im Entwurf des Kölner Architekten Clemens Klotz, für den er auf der Pariser Weltausstellung 1937 mit einem Grand Prix ausgezeichnet wurde. Ein Jahr zuvor war die Grundsteinlegung. Bis 1939 arbeiteten 9000 Maurer und Zimmerleute an dem Seebad. Renommierte Firmen waren beteiligt: Hochtief, Philipp Holzmann, Dyckerhoff & Widmann, die Siemens Bauunion.

KdF-Bad auf Rügen wurde nie fertig: Staub und Hoffnung in Prora

Am Ende stand: ein Rohbau. Mehr wurde es nie. 1939 zog Deutschland in den Krieg. Vieles, was in den Plänen stand, wurde nie gebaut. Die Nazis konnten zwar mauern, aber rechnen konnten sie auch: Schon 1937 zeichnete sich ab, dass Leys geschätzte 50 Millionen Mark Baukosten niemals reichen würden.

Ein Weg aus Betonplatten führt an manchen Abschnitten heute noch an grauen Ruinen vorbei, absurde Klötze mit Tausenden leeren Fenstern, durch welche Schwalben zu ihren Nestern sausen, an deren Außenfassaden aber schon Plakate die Zukunft verkaufen: „Hier entstehen 250 Eigentums- und Ferienwohnungen. Erste Reihe Strandlage. Verkaufsbüro 400 Meter weiter.“ Prora heute, das ist Staub und Hoffnung, halb fertig, halb Ruine, Aufbau Nordost, eine Kleinstadt im Werden, ein Abenteuer.

Nach dem Krieg geriet Prora erst einmal in Vergessenheit. Nach der Roten Armee kam die Nationale Volksarme und bezog Teile des Riegels. Tausende NVA-Soldaten waren im ehemaligen Beinahe-Bad kaserniert, es gab ein Walter-Ulbricht-Heim, in dem Offiziere Ferien machten.

Die Vergangenheit des Ortes war in der DDR kein Thema. Der SED-Staat machte die Gegend zum militärischen Sperrbezirk und verwandelte den Klotz ab 1950 zur größten Kasernenanlage der DDR. Bis zu 19.000 Helfer und Kasernierte Volkspolizisten bauten die übriggebliebenen fünf Blöcke provisorisch um. Am Ende wieder Gigantismus, das größte Militärareal des Arbeiter- und Bauernstaates.

Kdf-Bad auf Rügen wurde auch in der DDR nicht fertig: Zu groß, zu unbrauchbar, zu schlecht 

Untergebracht waren motorisierte Schützenregimenter, das Luftsturmregiment 40, die Militärtechnische Schule „Erich Habersath“, ein Erholungsheim für Grenzsoldaten, ein Ausbildungszentrum für Truppen befreundeter Staaten wie Mosambik oder Äthiopien. Über Prora und die anderen Kasernen auf der Ostseeinsel hatten die NVA-Rekruten ihr Urteil schnell gefällt: „Drei Worte genügen: Nie wieder Rügen!“

Nach der Wiedervereinigung kam die Bundeswehr, nach 1992 nichts mehr. Die Bundeswehr zog ab. Was sollte sie mit dem Klotz anfangen? Zu groß, zu unbrauchbar, zu schlecht der Zustand des gewaltigen Riegels. Er verfiel, Tiere zogen ein, Vögel, Eidechsen, Füchse. In manche Häuser zeitweise auch Künstler.

Der Bund war Eigentümer und scherte sich nicht sonderlich. Irgendwann hatte er alle halbwegs intakten Blöcke verkauft. Für knapp über 3,5 Millionen Euro. Die Zeit des Abwartens brach an, danach die Zeit der Goldgräber.

Den Kräften des Verfalls von Prora wirkten spätestens ab 2010 die Kräfte des weltweiten Finanzmarktes entgegen. Die Europäische Zentralbank hatte das Bankensystem mit Euros überflutet, die Zinsen waren in den Keller gestürzt, das Sparen lohnte sich nicht mehr, Immobilien wurden immer interessanter. Und irgendwann erinnerten sich Menschen mit Geld an das scheußliche Riesending am südlichen Rand Rügens. Prora machte endlich Karriere und wurde zur Anlage, zum Objekt der Begierde.

Investoren in KdF-Bad Prora auf Rügen: Das Geschäft seines Lebens

Ulrich Busch war der Erste, der es ernst meinte. Ein Pionier, umstritten und mit Durchsetzungsvermögen. Ab 2004 hat er über Prora nachgedacht. „Das Gebäude hat was“, sagt der Projektentwickler, heute 53. Busch sitzt in der Lobby des Prora Solitaire, das er gebaut hat, und erzählt, wie alles kam.

Wahrscheinlich musste ein Mann wie er etwas in Prora machen. Anfangen, einen Schritt nach dem anderen, es entsteht Sogkraft, der Rest entwickelt sich. Busch, in Berlin groß geworden, Sohn des Schauspielers und Arbeiterlieder-Sängers Ernst Busch, war 1989 vor dem Mauerfall aus der DDR ausgereist, war in der Bundesrepublik Versicherungsmakler geworden, dann Immobilienentwickler. Er hatte Geld gemacht und sich dann schnell für Rügen interessiert. In Binz allein hat er nach 1992 über 200 Wohnungen gebaut.

Im Jahr 2006 verwandelten sich seine Überlegungen zu Prora in Taten. Er kaufte zwei Blöcke des KdF-Riegels vom Bund, Block 1 und Block 2, für 455.000 Euro – eine Summe, die heute gerade für ein mittleres Appartement reichen dürfte. Block 1 verkauft er später weiter an ein anderes Immobilienunternehmen.

Die große Geldmaschine ist heute längst angesprungen in Prora, und sie läuft wie geschmiert. „Alle Wohnungen sind verkauft“, erzählt Busch über seinen Block. „Das Hotel funktioniert.“

Prora, das Geschäft seines Lebens? „Das ist mein Lebenswerk“, erzählt er während einer Mittagspause im Foyer seines Hotels. Häuser bauen, Leute gewinnen, „Mitverrückte“ nennt er sie, Geld einsammeln, ein Projekt anschieben – das sei das eine. Aber ein bisschen Geschichte mitzuschreiben, das sei setwas Besonderes. „Prora ist es“, sagt er. „Prora ist in jeder Hinsicht eine gewaltige Herausforderung. Aus einem viel zu großen und abschreckenden Klotz etwas Nützliches machen, darum geht es.“

Seit zwölf Jahren ist er nun damit beschäftigt. Zu Anfang galt er als Spinner, der einen Haufen Geld verbrennt. Die Binzer nebenan guckten misstrauisch auf den Riegel, fürchteten ihn, fürchteten die Konkurrenz für ihre Hotels, Pensionen, Gaststätten, Läden, Fischbuden. Sie hatten Angst um ihre 7000 Einwohner zählende kleine Stadt am Meer, Angst davor, von dem erwachenden Ungetüm nebenan erdrückt zu werden.

Streit mit Denkmalschützern um Kdf-Bad in Prora auf Rügen

Busch hatte viel Ärger mit Denkmalschützern. Er wollte Balkone anbauen lassen, weil Wohnungen ohne Balkone mit Blick zum Strand nicht zu verkaufen sind. Die Denkmalschützer waren dagegen, weil der ursprüngliche Plan der Nazis keine Balkone vorsah. Am Ende – nach jahrelangen Debatten – siegten Busch und die anderen Investoren und bekamen ihre Stahl- und Glasbalkone.

Nun läuft das Geschäft. Und die Vergangenheit? Verschwindet sie endgültig? Es gibt ein Museum ungefähr in der Mitte des Riegels, in Block 3, einem unrenovierten Teil. Es zeigt die Dauerausstellung „MACHT. Urlaub“, erzählt ausführlich über die KdF-Organisation im Dritten Reich, über das, was Prora werden sollte, das, wozu es dienen sollte. Über Erholung als Kriegsvorbereitung.

Jürgen Rostock leitete jahrelang das Dokumentationszentrum. Ende März starb er. Er war ein stiller und nachdenklicher Mann, der mit einiger Verwunderung beobachtete, was um ihn herum passierte. „Vielleicht ist das Ganze ja auch eine Blase, die demnächst platzt“, sagt er bei einem Besuch seines Museums vor fünf Jahren, damals, als der Boom tatsächlich den Klotz erfasste.

„Ich würde gerne das Museum ein wenig ausbauen. Dieses Gebäude ist doch einmalig in Deutschland.“ Das wünschte er sich damals. Aber daraus ist nichts geworden. Es gibt Einjahresmietverträge für das Museum, ein Bleiberecht, bis der Investor alles unter Dach und Fach hat und in seinem Block losbauen kann. Was aus dem Museum wird? „Keine Ahnung“, sagt eine Mitarbeiterin, die eine Rauchpause vor der Tür macht. „Abwarten.“

Es gab Zeiten, da wollte auch Karsten Schneider den ganzen Prora-Klotz am liebsten dem Erdboden gleichmachen. Aber niemand hatte so viel Geld. Von einer Universität am Strand träumte der Bürgermeister damals, einer Ostsee-Uni.

Das waren die Jahre, als sich Investoren die Blöcke verkauften, als große Schilder noch größere Bauvorhaben versprachen. Und nichts passierte. Es war die Zeit der Sprücheklopfer. 2013 gab es das Gerücht, arabische Großinvestoren hätten gekauft. „Wir hatten uns damals fast schon auf Kamelrennen am Strand eingestellt“, sagt der Bürgermeister.

Schneider ist 54, Ende Mai tritt er zur Wiederwahl nach sieben Jahren an. „Es ist enorm spannend, was gerade in Prora passiert“, erzählt der ehemalige Gymnasiallehrer, den es aus Brandenburg an die Ostsee trieb. „Alle Anzeichen sind gut, die Investoren halten sich an die Spielregeln.“

Man müsse das mal gründlich vorstellen, was gerade in Prora, einem Ortsteil der Kleinstadt Binz, abgehe: Rund 700 Millionen Euro werden investiert, rund 3000 Gästebetten entstehen, dazu rund 3000 Betten für Dauerwohner. Im Grunde wächst ein komplett neuer Ort neben einem Ort aus dem Boden, der im Sommer schon fast aus allen Nähten platzt. Nur hat dieser neue Ort keine Infrastruktur: noch keinen Supermarkt, kaum Läden, keine Tankstelle, kaum Dienstleister, keine Handwerker, keine Ärzte, kaum Restaurants.

Überall werden Mitarbeiter gesucht, die Handwerker auf Rügen seien ausgelastet, erzählt der Bürgermeister. „Man kriegt einen Handwerker nur noch“, witzelt Schneider, „wenn man Westgeld hat.“

Ein bisschen gehe es schon zu wie auf Sylt, der Nordseeinsel, die fest im Klammergriff des Geldes steckt, erzählt Schneider. Hat ein älteres Ehepaar zwei erwachsene Kinder, ein Haus und 600 Quadratmeter Grundstück dazu im Wert von 400.000 Euro, dann verkauft es, lässt ein Haus mit sechs Wohnungen draufsetzen und kassiert auch noch drei Millionen Euro. „Das ist die Kraft des Geldes. Sie hat uns hier längst gepackt.“

Zum Glück habe die Stadt Binz noch 1000 eigene Wohnungen, die sie für rund sechs Euro kalt anbieten könne. „Sonst würde hier alles irgendwann kollabieren.“

Am Strand werden gerade große Toilettenhäuser gebaut, im Stadtrat wird über einen Jachthafen nachgedacht. „Ich wünsche mir, dass Prora mal ein richtiger Ortsteil wird, ein gesundes kleines Städtchen mit richtigen Einwohnern und nicht nur Gästen“, sagt Schneider. „Ist es nicht verrückt? Wir verdoppeln uns gerade.“