Azubi-Serie, Teil 1: Ausbildung zum Fleischer Azubi-Serie, Teil 1: Ausbildung zum Fleischer: Chancen ja, Lehrlinge nein

Halle (Saale)/MZ - Arbeitsbeginn ist um sechs Uhr in der Wurstküche. Da gibt es viel zu tun und zu lernen. Da kommt Fleischkäse in die Form und später auf den Grill. Dann werden Bockwürste gefüllt und per Hand abgedreht. Nach der Frühstückspause warten neue Arbeitsaufgaben: Fleischsalat, Leber- und Rotwurst stehen auf dem Programm. Gerne würden die Mitarbeiter der Frische-Metzgerei des Globus-Marktes im Halleschen Einkaufspark ihr Wissen an Lehrlinge weitergeben.
Indes, sie bleiben vorerst unter sich. Dabei geht es hier abwechslungsreich und spannend zu. Ein falscher Schnitt und das Filet, das aus der Keule herausgelöst werden soll, ist nur noch die Hälfte wert. Einmal schlecht gerechnet und gewogen, schon bekommt die hauseigene Gewürzmischung einen schrägen Geschmack. Fleischer - das ist ein Job für Leute, die sagen: „Wir sind Handwerker. Wir können das.“
Sorgen um die Zukunft
Zahlreiche Ausbildungsstellen gibt es im Internet unter:
www.jobboerse.arbeitsagentur.de
Auch für Daniel Heyne, Meister in Halle-Radewell, geht es täglich um die Wurst. Um Spezialitäten bis hin zum Spanferkel, die seinen Kunden schmecken sollen - für den Verkauf an der Ladentheke oder als Caterer bei Veranstaltungen. Doch längst geht es nicht nur um die Wurst an sich. Um die Wurst geht es seiner Meinung nach für die Zukunft des Fleischer-Handwerkes insgesamt. Knapp 40 Betriebe gehören ihm zufolge noch der Innung an, aber sie bilden kaum noch Lehrlinge aus. Als Vorsitzender Prüfer der Handwerkskammer Halle erfährt der 42-jährige Meister aus eigener Anschauung, wie problematisch es um den Berufsnachwuchs der Innung bestellt ist.
„Es mangelt an geeigneten jungen Leuten, die das Geschäft der alten Meister fortsetzen können.“ Dass die Branche keine Spitzenlöhne zahlen könne, sei aus seiner Sicht ein wichtiger, aber keinesfalls der einzige Grund. Wenn Heyne als ehemaliger Sieger im Berufswettbewerb heute eine Zwischenbilanz ziehen soll, fällt sie ernüchternd aus. „Es ist von Jahr zu Jahr schwieriger geworden, erst Bewerber zu gewinnen und dann innerhalb von drei Jahren zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.“
Im Moment weist die Lehrstellen-Börse der Handwerkskammer wieder einmal acht unbesetzte Lehrstellen für Fleischer aus. Die Resonanz sei gering. Solche Zahlen, weiß Heyne aus Gesprächen mit Berufskollegen, demotivieren sogar gestandene Ausbilder. Mancher Meister habe schlichtweg die Hoffnung aufgegeben, das Kapitel abgehakt. Dass der Fleischer bislang stets einer der krisenfestesten Berufe überhaupt gewesen ist, so Heyne, kann an der Flaute nichts ändern. Selbst gratis Wurst-Pakete lockten nach der Schule kaum jemanden zur Arbeit in eine Fleischerei.
Fast jeder vierte Facharbeiterplatz in Sachsen-Anhalt kann nicht besetzt werden. Kein Wunder, in 40 Prozent der Betriebe gibt es unbesetzte Ausbildungsplätze. Nur im Verkaufsbereich übersteigt die Zahl der Bewerber das Angebot. Ansonsten sind praktisch sämtliche Branchen betroffen.
Volker Becherer, der Abteilungsleiter berufliche Bildung der Handwerkskammer Halle: „Die Folgen der demografischen Entwicklung, immerhin haben sich die Zahlen der Schulabgänger gegenüber 2007 mehr als halbiert, sind dramatisch.“
Sogar Lehrstellen, die traditionell hoch in der Gunst von Jugendlichen stehen, blieben jetzt manchmal sogar unbesetzt. Das lässt ein Blick in die aktuelle Lehrstellen-Börse ahnen.
Arbeitgeber suchen händeringend noch 42 junge Leute, die Kfz-Mechatroniker werden wollen. Mindestlohn hin oder her, wer will noch Friseur werden? 19 freie Stellen gibt es zur Zeit. Ob Anlagenmechaniker (28), Elektriker (27), Gebäudereiniger (15) oder Konditor (10) - die Bewerber, sofern die Noten nur annähernd akzeptabel sind, haben in in diesem Ausbildungsjahr die Qual der Wahl.
Kaum geeignete Bewerber
Mit den ohnehin wenigen Bewerbern, einige kommen ohne ein vorheriges Praktikum in die Betriebe, könne man laut Heyne mitunter ziemlich große Überraschungen erleben. Mancher, der sich eher zufällig oder aus der Not heraus um eine Lehrstelle als Fleischer oder Fachverkäufer bewirbt, versteht bald die Welt nicht mehr. Einige, so Heyne, staunen beispielsweise, wenn der Meister während der Zeugnisschau die Stirn runzelt. „Auch in diesem Beruf kommt man ohne flinkes Rechnen nicht aus“, sagt Heyne. Gleichfalls keine Begeisterung löse bei ihm aus, wenn ersichtlich sei, dass einer Pünktlichkeit und Verlässlichkeit nicht so genau nimmt. Dennoch würde es gegenwärtig kaum ein Arbeitgeber darauf ankommen lassen, einen Lehrling deshalb abzuweisen. „Das Angebot ist so gering, da nimmt man jede Mühe auf sich - solange der Lehrling wenigstens mit Lust und Laune bei der Arbeit ist.“
Wenn der Wille vorhanden sei, könne so ziemlich jede Herausforderung gemeinsam gemeistert werden. So unterrichtet Heyne selbst als Dozent und gibt Lehrlingen bei Bedarf kostenlos Nachhilfe. Allerdings sei die Resonanz auf dieses immerhin kostenlose Angebot meistens eher bescheiden. Vor allem mit der Theorie hapert es. So sei ihm schon der Gedanke gekommen, ob das Land nicht eine Art „Kleinen Gesellenbrief“ ins Leben rufen könne - für alle, die in der Praxis zwar halbwegs zurecht kommen, aber in schulischen Fächern scheitern. Dann würden diese junge Leute, die auch sonst schwer einen Job finden würden, der Branche wenigstens erhalten bleiben.
Weite Wege für Lehrlinge
Bereits in Bewegung geraten sind Ausbildungsstrukturen in Sachsen-Anhalt. Sie passen sich der sinkenden Nachfrage an, auch im Fleischerhandwerk. Inzwischen fahren dessen Lehrlinge bis nach Weißenfels in die Berufsschule. Dort lernen die künftigen Fleischer gemeinsam mit den Fleischfachverkäufern in spe: 15 Lehrlinge für das südliche Sachsen-Anhalt. Am Standort Halle habe man es Heyne zufolge nicht mehr geschafft, eine komplette Klasse zusammen zu bekommen. Wenn der Trend jedoch anhalte, werde die schulische Ausbildung wohl bald zentral durchgeführt werden müssen, dann vermutlich in Magdeburg.