Abgeltungsteuer steigert Aufwand für Investmentclubs
Düsseldorf/München/dpa. - Mit Gleichgesinnten Wissen über die Börse austauschen und gemeinsam mit Wertpapieren handeln - das ist die Idee von Investmentclubs. Jetzt könnte diese Clublandschaft vor einer Schließungswelle stehen.
Denn die neuen Regeln zur Abgeltungsteuer sorgen in den Clubs für Verunsicherung: Nach Aussage von Anlegerschützern erhöhen sie den Verwaltungsaufwand deutlich und bergen das Risiko einer Doppelbesteuerung.
«Viele Clubs, in denen es ohnehin nicht gut lief, haben die neue Steuerproblematik als Anlass zur Auflösung genommen», sagt Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf. Zehn Prozent der Clubs gibt es seiner Einschätzung nach nicht mehr.
Auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) in München sieht auf die Investmentclubs eine problematische Zeit zukommen. «Die neue Steuerregelung könnte die Clubanzahl noch weiter verringern», sagt Sprecher Lothar Gries. Seit der Euphorie am Aktienmarkt um das Jahr 2000 herum sei die Clublandschaft immer mehr geschrumpft. Vielen Anlegern sei die Lust an den Clubs vergangen. Die bürokratische Hürde der Abgeltungsteuer reihe sich in diese Gemengelage ein.
Leicht zu erklären ist die neue Situation nicht. Heikel werde die Situation immer dann, wenn eines oder mehrere Mitglieder ihren Investmentclub verlassen, erläutert Tüngler. Denn die Clubs seien in der Regel als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) organisiert. Wenn ein scheidender Anhänger seinen GbR-Anteil zurückgibt, unterliegt dieser Verkauf der Steuerpflicht. Zu versteuern sind die noch nicht realisierten Buchgewinne unverkaufter Wertpapiere, die das Mitglied anteilig mitgehalten hat.
Betroffen sind dabei alle Wertpapiere, die nach dem 31. Dezember 2008 gekauft wurden. Häufig werden diese Wertpapiere zum Zeitpunkt des Austritts gar nicht tatsächlich abgestoßen - das Mitglied wird aus dem Barbestand ausbezahlt. Kommt es später dann zum Verkauf, werden dieselben Wertpapiergewinne noch einmal versteuert, erklärt Tüngler. Die verbliebenen Mitglieder zahlen. Denn die neue Regelung sieht vor, dass die Depotbank die Steuer automatisch an den Fiskus abführt. Dass schon ein Teil davon gezahlt wurde, weiß sie nicht - ihr ist nur der An- und Verkaufskurs des Wertpapiers bekannt.
Zu viel gezahlte Abgeltungsteuer lässt sich im Nachhinein vom Finanzamt zurückfordern. Voraussetzung dafür ist aber, dass Kursgewinne jedem aktuellen und ausgeschiedenen Mitglied anteilig zugewiesen und den Steuererklärungen beigefügt werden - für viele zu viel Aufwand, auch wenn spezielle Software Abhilfe schaffen könnte.
Die Aufgabe von noch mehr Clubs wäre nach Einschätzung der Experten ein herber Verlust für die Aktienkultur. «Investmentclubs sind eine gute Möglichkeit, sich mit Aktien und anderen Anlageformen auseinanderzusetzen», sagt Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut in Frankfurt/Main. Als «Lernplattform» seien sie zum Beispiel dazu geeignet, Sparer an die Kapitalmärkte heranzuführen und ihnen Zugang zu besseren Informationen zu verschaffen. Und das sei heute wichtiger denn je.
Wie viele Investmentclubs es in Deutschland genau gibt, ist nirgends verzeichnet. Es gibt keine Meldepflicht. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf geht derzeit von etwa 6000 Clubs mit rund 200 000 Mitgliedern aus. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger in München vermutet eine deutlich geringere Zahl, die bestenfalls im dreistelligen Bereich liege.
Während sich viele Clubs auflösen, entstehen gleichzeitig neue: Hintergrund ist laut der DSW ausgerechnet die aktuelle Finanzmarktkrise. «In der Krise steigt offenbar das Bedürfnis nach einem Erfahrungsaustausch, um Anlagefehler nicht zu wiederholen», sagt Geschäftsführer Marc Tüngler. Und einen Club zu gründen sei mitunter die einzige Chance, in einen aufgenommen zu werden - nur wenige bestehende Clubs würden Verstärkung suchen.