Vom Heimkind zum Heimerzieher
Halle (Saale)/MZ. - Wenn Renate und Reinhard Ast all das aufzählen sollten, was ihre Schützlinge aus dem halleschen Kinderheim "Clara Zetkin" ihnen an Gutem zurückbringen, "bräuchten wir Tage", wie Heimleiter Ast sagt. Trotz so mancher Rückschläge - aus vielen, vielen betreuten Kindern ist etwas geworden. Immerhin seit 40 Jahren arbeitet Reinhard Ast als Erzieher; 20 Jahre davon als "Zetkin"-Heimleiter. Seine Frau Renate blickt auf eine ähnlich lange Zeit mit benachteiligten Kindern zurück.
"Auf das Jahresmotto von 'Wir helfen' - 'Gutes kommt zurück' - bezogen, fallen mir vor allem die großzügigen Spenden ein", sagt Reinhard Ast. Bühnenpodeste, eine Beleuchtungs- und eine Musikanlage sind von den 15 000 Euro aus dem Jahr 2004 angeschafft worden. "Das Theaterspielen bringt unseren Kindern Unglaubliches." Ast erzählt von einem Sonderschullehrer, der einfach nicht fassen konnte, dass ein Junge in der Schule nicht las, aber im Kinderheim nahezu spielend 14 Seiten Text für ein Märchenstück gelernt hatte. "Ausdauer, Mut, Selbstvertrauen, Stolz, Kameradschaft - das lernen und erfahren unsere Kinder beim Theaterspielen", sagt Renate Ast.
"Zu den Sternstunden gehören Besuche von ehemaligen Heimbewohnern, die ihren Weg ins Leben gefunden haben", erzählt Reinhard Ast. Fünf Ehemalige weiß er gar ständig um sich herum. Sie arbeiten jetzt im Kinderheim. Da ist Ralf, der staatlich anerkannter Erzieher geworden ist; Juliane, die Kinderpflegerin; Klaus, der Hausmeister; und Frank, der einstige Schulbummler, der ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert hat. Die Augen von Reinhard Ast leuchten. "Ich glaube, August Hermann Francke würde sagen: Ja, so habe ich mir das vorgestellt." Der Theologe und Waisenvater Francke (1663-1727) hatte seinerzeit viel dafür getan, dass Kinder, die in großer Not zu ihm kamen, später bei ihm Beschäftigung fanden.
32 Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 18 Jahren leben zurzeit im Kinderheim "Clara Zetkin". Es sind Mädchen und Jungen, die Waisen sind, denen Gewalt angetan wurde, die missbraucht wurden oder deren Eltern mit der Erziehung überfordert sind. Behutsam versuchen die Asts und ihr Team, jedes von ihnen so stark zu machen, dass es - im Idealfall - spätestens nach zwei Jahren wieder zurück in seine Familie kann. Das geht natürlich nicht ohne die Mütter, Väter und Geschwister. Deshalb setzt die Heimleitung auf Familienweiterbildung. Dafür hatte der Verein "Wir helfen" im Jahr 2008 5 000 Euro gespendet.
Katrin Prußnat-Fäller ist die Koordinatorin für die Familienhilfe. Sie ergründet die Ursachen für Zerwürfnisse, kittet Wunden, entschärft Krisensituationen, diskutiert über Familie, über Bedürfnisse und Konsequenz. Oft mit dem verweigernden Aufschrei eines Kindes "Ich will nicht zurück" im Hinterkopf. Aber meistens gelänge die Annäherung zwischen Heimkindern und deren Eltern doch. In kleinen Schritten, zu denen auch Familiennachmittage und die jährlichen Familienfahrten beitragen. "Eltern können hier andere beobachten und den Umgang mit Kindern lernen", sagt Prußnat-Fäller.
Reinhard Ast ist des Lobes voll über die große Unterstützung, die das Clara-Zetkin-Heim von "Wir helfen" seit Jahren erfährt. Über den Verein habe sich auch eine enge Partnerschaft zu dem Unternehmerpaar Heidelinde und Carl-Stefan Wentzel aus Teutschenthal entwickelt. Die Wentzels übernehmen Patenschaften für einzelne Kinder und laden ganze Gruppen regelmäßig zum Badespaß ein.