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Schleichwerbung im Fernsehen Schleichwerbung im Fernsehen: Willkommen in der bunten Markenwelt

Von Tilmann P. Gangloff 19.05.2004, 15:34
Auch die Show «Wetten, dass..?» ist voller Werbung: für die neuen CDs und Filme der Gäste, aber auch für ein großzügig vom Sponsor zur Verfügung gestelltes Auto oder mobile Telefone. (Foto: dpa/Archiv) (Foto: dpa)
Auch die Show «Wetten, dass..?» ist voller Werbung: für die neuen CDs und Filme der Gäste, aber auch für ein großzügig vom Sponsor zur Verfügung gestelltes Auto oder mobile Telefone. (Foto: dpa/Archiv) (Foto: dpa) dpa

Halle/MZ. - Es klingt so einfach: Wenn die Zuschauer bei Werbeunterbrechungen immer umschalten, kommt die Reklame eben in die Sendung. Passiert ja auch ständig: Bei Sportübertragungen zum Beispiel kann man zwischen all den Werbebotschaften mitunter kaum noch die Akteure erkennen.

Auch die Show "Wetten, dass..?" ist voller Werbung: für die neuen CDs und Filme der Gäste, aber auch für ein großzügig vom Sponsor zur Verfügung gestelltes Auto oder mobile Telefone. Das ist eine Gratwanderung: ARD und ZDF dürfen nach 20 Uhr keine Reklame mehr zeigen, integriert in eine Sendung schon gar nicht. Neudeutsch nennt sich das zwar "Product Placement", verboten ist es laut EU-Fernsehrichtlinie trotzdem.

Gerade das ZDF kam jüngst ins Gerede, als der Evangelische Pressedienst herausfand, dass in der Vorabendserie "Sabine!" fröhlich Schleichwerbung betrieben wird; und das auch noch für gleich vier Produktformen (unter anderem für das VW Beetle Cabrio und Wein aus Rheinland-Pfalz). Privatsender werden in der Regel für geringere Verstöße gerügt.

Beim ZDF reagiert man auf entsprechende Hinweise gänzlich unschuldig und verweist darauf, "Kooperationen" dieser Art machten eine Produktion billiger, würden Gebühren sparen und seien ohnehin völlig legal. Anderswo tut man weniger scheinheilig und bekennt sich zum "Product Placement" als unverzichtbarer Einnahmequelle; dort ist es allerdings auch erlaubt. In Cannes stellte der amerikanische Produzent Ben Silverman kürzlich sein Rezept vor und erläuterte, wie er mit integrierter Reklame das Erfolgsformat "The Restaurant" finanziert hat.

In dieser "Reality-Show" kann man dem in Amerika recht prominenten Koch Rocco DiSpirito über die Schulter in seine Kochtöpfe gucken. Für Silverman hatte sich die Sendung dank offenbar lukrativer Vereinbarungen mit diversen bekannten Markenfirmen schon vorher bezahlt gemacht.

Nun musste er nur noch dafür sorgen, dass American Express, die Produkte der Bierbrauerei Coors und Mitsubishi auch oft genug im Bild waren. Entscheidend sei natürlich die Auswahl der "Sponsoren" gewesen, sagte Silverman.

Silverman ist überzeugt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch die Europäer diesen Weg der Finanzierung akzeptierten. Spätestens die Einbrüche bei den Werbeeinnahmen hätten doch gezeigt, dass eine engere Zusammenarbeit mit der werbetreibenden Wirtschaft bereits bei der Entwicklung neuer Formate unumgänglich sei. Darauf würden schon allein die Werbekunden bald beharren: "Ein 30-Sekunden-Werbespot wird immer teurer, hat aber immer weniger Zuschauer". Gerade bei den Reality-Shows sieht Silverman die größten Chancen für eine Kooperation, von der beide Seiten profitieren: die Werbekunden, weil ihre Werbung nun mitten in der Sendung platziert ist und nicht weggeschaltet werden kann; und der Produzent (und damit der Sender), weil die Produktionskosten sinken.

Das EU-Argument, Zuschauer müssten vor versteckter Reklame geschützt werden, lassen die Befürworter dieser Werbestrategien nicht gelten. Walter Neuhauser, Präsident der European Group of Television Advertising (Brüssel), verweist auf die Medienkompetenz des Publikums: "Wir leben in einer Markenwelt, die geprägt ist von allgegenwärtiger Reklame; das Publikum ist durchaus in der Lage, den Unterschied zwischen Werbung und Programm zu erkennen."

In Brüssel allerdings kontert man sämtliche Vorstöße in diese Richtung mit dem humorlosen Hinweis aufs geltende Recht. Missstände wie in den jüngsten James-Bond-Filmen mit ihrer unverblümten Werbung für Markenprodukte (Visa, BMW, Avis, Heinecken), verspricht die EU-Kommission, werde man im Fernsehen zu verhindern wissen.