Porsche Porsche: Tränen bei letzter PS-Messe
STUTTGART/LEIPZIG/MZ. - Der Himmel weint Sturzbäche, als Wiedeking, der Ex-Chef, seine letzten Worte unter das Regenschirmdach der mehreren tausend Mitarbeiter spricht, die seiner letzten PS-Messe beiwohnen. "Jetzt", sagt er, "müsst ihr nach vorne schauen, nicht zurück, egal, was passiert ist." Wiedeking erhält einen Wahnsinns-Applaus, da kommt keiner seiner Vorredner auf dem Platz zwischen Motorenbau, Logistik und Sattlerei mit.
"Er war halt ein Top-Manager", sagt Murat Kilic, ein Mechaniker, der sich in den Raucherraum geflüchtet hat, von wo man die auf Großbildschirm übertragenen Reden verfolgen kann. Der Ex-Boss habe in dem Fight mit VW doch "das Beste rausgeholt, was rauszuholen war", meint er. Nur, dass er, der König von Zuffenhausen, selbst nun nicht mehr dabei ist. Kilic, der bei Porsche gelernt und die ganze Wiedeking-Ära erlebt hat, ist von diesem Abgang durchaus beeindruckt: "Kennen Sie einen Manager, der so etwas macht?" Der PS-Millionär, dem der Abgang mit 50 Millionen Euro versüßt worden war, lässt seine Porscheaner an seinem inneren Zustand teilhaben. Es tue ihm "in der Seele weh", dass er gehe, lässt er wissen. Irgendwann am Wochenende habe er sich entschieden hinzuschmeißen. Warum, lässt er nur ahnen. "Permanente Angriffe auf meine Person" habe es gegeben, orakelt er. Aber warum er dann ging? Er ging, um die seine Porscheaner zu schützen. Sagt er zumindest. "Ihr habt das", er meint die Angriffe, "nicht verdient."
Der Mann, der gut wie sonst keiner erzählen könnte, von wem die Angriffe kamen, nämlich aus der eigenen Verwandtschaft, tut das nicht.
Wolfgang Porsche, Aufsichtsratschef und wie der attackierende VW-Zampano Ferdinand Piëch Oberhaupt einer der Eigentümerfamilien des Sportwagenbauers, verschlägt es fast die Sprache, als er vor die Belegschaft tritt. Nur stockend, mit Tränen in den Augen, kommt er in seine, naturellbedingt gemäßigte Fahrt. Dann erfährt man, wie unendlich viel die Porsche AG sowie die Porsches und Piëchs tatsächlich Wiedeking zu verdanken hat. Er habe das Unternehmen schließlich "aus der Not in die Höhe geführt", rühmt ihn der Ober-Aufseher.
Ohne diesen sturen Westfalen, ahnt man, stünden die Porsche-Piëch-Clans nun nicht davor, die Mehrheit am drittgrößten Autokonzern weltweit zu übernehmen. Und da kann man schon mal dankbar sein und das auch sagen - auch wenn man den Zauberer von Zuffenhausen schlussendlich doch im Regen hat stehen lasen. "Dank Ihnen", sagt Porsche zu Wiedeking, könne man nun "auf Augenhöhe verhandeln" - mit dem 30-mal größeren VW-Konzern.
Auch Betriebsratschef Uwe Hück, im Nebenamt Vize-Aufseher, bemüht sie immer wieder, seinen Kurswechsel zu begründen. Der kahlköpfige Schwabe, Hobby-Boxer und Pro-Wiedeking-Kämpe, hatte die Stimmung vor der Aufsichtsratssitzung kräftig angeheizt. "Galaktische Kämpfe" für die Porsche-Eigenständigkeit kündigte er an, "wir haben eine kampferprobte Belegschaft. Wir müssen nicht üben". Betriebsrat und IG Metall wollten aus Protest die Produktion lahm legen. Sie planten Standortbesetzungen. Doch plötzlich, nach Wiedekings Abgang, ist keine Rede mehr davon. Warum? "Porsche bleibt eigenständig", brüllt der cholerische Hück ins Rund, so, als sei die Eingliederung ins VW-Imperium nur eine Fußnote des ganzen Spektakels.
Im Leipziger Porsche-Werk kommt Wiedekings Auftritt per Video-Live-Schaltung an. Dort verfolgten die Mitarbeiter das Geschehen auf Monitoren. "Wir bedauern den Rücktritt von Wiedeking, sind aber auch erleichtert, dass es etwas mehr Klarheit gibt", sagt Knut Lofski, Betriebsratschef im Werk Leipzig. Um die Zukunft des Stadtortes und der Mitarbeiter mache er sich keine Sorgen. "Unsere Jobs sind sicher", sagte er. Im gerade für 150 Millionen Euro erweiterten Werk Leipzig montieren derzeit 600 Beschäftigte den sportlichen Geländewagen Cayenne und das neueste Porsche-Modell Panamera, das im September zu den Händlern kommen wird.