Video bei Günther Jauch Video bei Günther Jauch : Varoufakis' Glaubwürdigkeit hängt am Stinkefinger
Berlin - Vielleicht hätte Gianis Varoufakis einmal mit Peer Steinbrück über die Rolle des Stinkefingers in der deutschen Politik sprechen sollen. Dann hätte der griechische Finanzminister mit der in einem Video festgehaltenen Geste nämlich offensiv umgehen können und sie nicht einfach geleugnet („Ich habe noch nie den Finger gezeigt“ ), wie in der Sendung von Günther Jauch am Sonntagabend.
An dem Video sei herumgefummelt – „doctored“ – worden, sagte Varoufakis, und handelte sich damit den Vorwurf ein, er habe vor einem Millionenpublikum deutscher TV-Zuschauer gelogen. In einem Gespräch mit „Spiegel online“ erneuerte Varoufakis am Montag den Fälschungsvorwurf sogar noch einmal: „Das Video wurde ohne jeden Zweifel gefälscht.“
Dass die dort gezeigte Szene einer Diskussionsveranstaltung im Jahr 2013 so abgelaufen ist, scheint inzwischen allerdings sicher zu sein. Nach bisherigem Kenntnisstand gebe es keinerlei Anzeichen von Manipulation oder Fälschung im Video, erklärte die Redaktion von Günther Jauch am Montag in Berlin. Medienexperten und Netzforensiker kommen ebenfalls zu dem Schluss.
Das Videomaterial enthalte keinerlei Hinweis auf eine Manipulation oder Fälschung und könne als authentisch eingestuft werden. Freilich, wie oft im Leben, kommt es auf den Zusammenhang an, in den etwas gestellt wird. Und da lässt sich schon behaupten, dass die Jauch-Redaktion gefummelt hat. Denn sie verkürzte Varoufakis’ Aussage und erweckte den Eindruck, er habe in der aktuellen Situation empfohlen, Griechenland solle Pleite gehen und Deutschland den Finger zeigen.
Tatsächlich hatte er sich aber auf die Lage 2010, vor den großen Milliardenkrediten, bezogen und das Beispiel des auch einmal insolvent gegangenen Argentinien genannt. 2013 war Varoufakis noch lange kein Minister, sondern argumentierte als Wirtschaftswissenschaftler – und er zeigte eben auch nicht selber den Finger, sondern unterstrich mit seiner Geste, was andere Jahre zuvor hätten tun sollen. Der verantwortliche NDR-Chefredakteur gestand inzwischen zu, ein Hinweis auf 2010 wäre wohl besser gewesen.
Aber segelt Griechenland nicht gerade jetzt direkt in die Pleite? Manche in Berlin fast lustvoll ausgemalte Untergangsszenarien legen das nahe, so auch eine mit sorgenreicher Miene vorgebrachte Frage von Jauch. Der Finanzminister winkte gelassen ab, sprach von „unbedeutenden Liquiditätsproblemen“ – und verfügte am Montag gleich einmal die fällige Überweisung von 580 Millionen Euro an den IWF.
Varoufakis habe sich tapfer geschlagen, stellte Jauch gönnerhaft am Ende der Sendung fest, die streckenweise eher an ein Verhör denn an ein Gespräch erinnerte. Der bisher vor allem als recht selbstverliebt aufgefallene griechische Minister hat dabei gewiss Punkte in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland gesammelt, mit seinen, sagen wir einmal: missverständlichen Bemerkungen zum Stinkefinger aber auch sofort wieder verschenkt. Oder, wie der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold gestern feststellte: „Herr Varoufakis und die neue griechische Regierung macht es ihren Freunden in Deutschland wirklich nicht leicht.“