Mit Star Trek und Matrix Mit Star Trek und Matrix: So erklärt Yanis Varoufakis die Wirtschaft für Dummies

Als eine Kollegin das neue Varoufakis-Buch auf meinem Schreibtisch sieht, rümpft sie die Nase: „Das hat er bestimmt nur schnell geschrieben, um es nach seinem Rücktritt gut vermarkten zu können.“ Eine andere kommentiert kritisch: „Ob man einem gescheiterten Wirtschaftspolitiker seine Theorien noch abkaufen sollte...“.
Fest steht: Bücher über Ökonomie hat der Ex-Finanzminister Griechenlands schon vorher geschrieben, allerdings nicht explizit für seine, wie er sagt, ihm gegenüber „äußerst kritische“ kleine Tochter. An die 10-Jährige Xenia, die mit Varoufakis' Ex-Frau in Australien lebt, richtet sich das neue Werk, und ebenso an andere junge Leser und Wirtschaftslaien.
Ob Yanis Varoufakis als Politiker in der griechischen Schuldenkrise gescheitert ist, darüber lässt sich streiten. Wenige Stunden vor seinem Rücktritt hat der 54-Jährige noch einen großen politischen Erfolg gefeiert: Die Griechen hatten in einem Referendum zum Reform- und Sparkurs klar „Nein“ gestimmt, also genau die Antwort, für die Varoufakis und Ministerpräsident Alexis Tsipras unermüdlich geworben hatten.
Allerdings geriet Varoufakis mit seinen europäischen Amtskollegen mehrfach scharf und heftig aneinander – und wurde bei den Verhandlungen um ein Rettungspaket schließlich von Tsipras zurückgepfiffen. Mit seinen Vorträgen über die gemeinsame Zukunft Europas habe er viele – allen voran Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) – fast zum Wahnsinn getrieben, berichteten Augenzeugen der Gespräche in Brüssel.
Varoufakis war sich der Ablehnung durchaus bewusst, die ihm bei Griechenlands Gläubigern entgegenschlug, heißt es in einem Porträt über den linken Politiker. „Ich werde die Abscheu der Kreditgeber mit Würde tragen“, verkündete er in seiner Rücktrittserklärung. Dort zeigte sich auch erneut sein Hang zur Theatralik und zu großen Worten. „Kein Minister mehr!“, schrieb er in seinem äußerst populären Blog. „Die Volksabstimmung vom 5. Juli wird als einzigartiger Moment in die Geschichte eingehen, als eine kleine europäische Nation sich gegen die Schulden-Knechtschaft erhoben hat.“
Mit „Matrix“ die Krise des Kapitalismus erklären
Auch wenn der Motorradfan einen etwas übertriebenen Hang zur Selbstinszenierung hat – seine wirtschaftliche Kompetenz steht außer Frage. Und das beweist er auch in seinem Buch „Time for Change“ (Hanser Verlag): Schritt für Schritt erklärt Varoufakis, wieso wir überhaupt Geld benutzen, warum es Schulden gibt, und welche gefährliche Schlüsselrolle die Banken bei einer weltweiten Finanzkrise spielen. Komplexe Themen, einfach erklärt – und der Clou dabei sind die vielen Beispiele aus Büchern und modernen Filmen wie „Star Trek“, „Blade Runner“ oder „Matrix“.
„In Matrix geht es um eine Gesellschaft, in der die Maschinen die Herrschaft bereits übernommen haben und nun die Menschen nach ihrer totalen Niederlage und Unterwerfung nur noch als organische Stromgeneratoren am Leben zu halten versuchen“, beschreibt Varoufakis das Szenario. Die Menschen leben einer virtuellen Realität, einer Konsum-Welt, und erkennen nicht, dass sie von den Maschinen als Energiequelle ausgebeutet werden. Das sei aber keine Science-Fiction, sondern ein Abbild unsere Gegenwart, erklärt der Ökonom seiner Tochter und den Lesern:
Das Beispiel ist hier etwas aus dem Zusammenhang gerissen, denn Begriffe wie Tauschwert oder industrielle Revolution werden zuvor ausführlich erklärt. Und zwar so, dass es kluge 10-Jährige verstehen können. Auf den ein oder anderen Leser mag das etwas überbemüht wirken („Papa Varoufakis hat sich da mal eine spannende Allegorie aus der Popkultur überlegt“), jedoch wird man kaum einen Jugendlichen dazu überreden, Marx' „Kapital“ zu lesen.
Die Warnung des Wirtschaftsexperten vor einem unkontrollierten Markt sowie der Privatisierung öffentlicher Güter und natürlicher Ressourcen ist bei der Lektüre allgegenwärtig. Das ist linke Ideologie, klar, und an manchen Stellen nervt Varoufakis mit seinen Schwarzweiß-Zeichnungen, etwa der von bösen Aktienunternehmern, die sich einfach eine Villa auf der Anhöhe bauen, wenn der Wasserspiegel der Ozeane steigt. Andererseits darf man auch zu drastischen Beispielen greifen, um die Dramatik einer Krise zu verdeutlichen – und um eine Diskussion zu provozieren.
Fazit: Man muss Varoufakis nicht mögen und man muss auch kein Linker sein, um das Buch zu lesen. Interessant sind zum einen die Erklärungen fundamentaler Wirtschaftsbegriffe, zum anderen die Denkanstöße und Diskussionsgrundlagen, die es seinen jungen Lesern geben kann: Wie viel Markt und wie viel Staat sind nötig? Wieso müssen Pleite-Banken eigentlich gerettet werden? Wie befreien wir uns und andere aus der Matrix – wenn wir es denn wollen?
Oder um es mit Varoufakis Worten zu sagen: „Wenn man Jugendliche nicht dazu bringen kann, sich für das Wesen von Reichtum, Armut, Wirtschaftsmacht (und ihre Verteilung in der Gesellschaft) zu interessieren, zeigt sich, dass man dem, was unsere Gesellschaft antreibt, selbst nicht genug Wichtigkeit beimisst.“
(gs, mit dpa-Material)
