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Trauerfeier für Margot Honecker Trauerfeier für Margot Honecker: So unbelehrbar blieb die DDR-Politikerin bis zum Schluss

Von Georg Ismar und Carlos Dorat 07.05.2016, 17:30
Trauerfeier für Margot Honecker in Chile
Trauerfeier für Margot Honecker in Chile EFE

Santiago de Chile - Der Parque del Recuerdo ist ein besonderer Friedhof. Weitläufig, mit Bachläufen, einem See und viel Natur, außerhalb von Santiago de Chile. In einem Trauersaal haben sich rund 50 Personen versammelt. Es ist aber kein Abschied wie jeder andere.

Ein Sarg mit der Leiche Margot Honeckers ist aufgebahrt, bedeckt mit einer DDR-Fahne und roten Nelken. Zeitlebens hat die Witwe des früheren DDR-Staats- und SED-Parteichefs Erich Honecker die DDR als besseres System verteidigt. „Ruhe in Frieden, Mama, wir werden dich vermissen“, sagt Tochter Sonja nach Angaben von Trauergästen.

Journalisten und Fotografen werden am Samstag von der Zeremonie ferngehalten. Die Kommunistische Partei Chiles gedenkt Honecker mit einem großen Kranz. Im Beisein der Tochter war Margot Honecker im Alter von 89 Jahren am Freitag gestorben, seit 1992 lebte sie im chilenischen Exil. Am Montag soll der Leichnam eingeäschert werden.

So wie bei ihrem Mann Erich, dessen Reste Margot übergeben wurden und der seine letzte Ruhe auf dem Zentralfriedhof in Santiago de Chile fand, wie Enkel Roberto Yañez Honecker 2012 der „Bild“-Zeitung sagte.

Auch Yañez ist zur Trauerfeier gekommen, genauso wie Chilenen, die nach dem Sturz des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende am 11. September 1973 in der DDR eine neue Exil-Heimat fanden. Anwesende Weggefährten wie der Generalsekretär der KP Chiles, Andrés Lagos, würdigen sie als „Revolutionärin“ und „antifaschistische Kämpferin“.

Mit der Gitarre wird bei der Trauerfeier das schlesische Volkslied „In dem Schneegebirge“ aus dem 18. Jahrhundert gespielt, dann wird noch die Internationale intoniert. Es mutet an wie eine Zeitreise.

Im fernen Berlin ist von Trauer und Beileidsbekundungen wenig zu hören. Die Linken-Führung lässt nichts offiziell verlautbaren, dafür umso mehr Opferverbände, die kritisieren, dass sie für ihr Handeln als DDR-Ministerin für Volksehrziehung (1963-89) nie zur Rechenschaft gezogen worden sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen ihrer Verantwortung für Zwangsadoptionen von Kindern, deren Eltern wegen „Republikflucht“ verhaftet worden waren. Das wurde aber eingestellt.

Biografien beschädigt

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, meint, Honecker habe ohne Rücksicht in das Leben von Familien eingegriffen. „Sie hat Biografien beschädigt und den Menschen die Selbstbestimmung genommen.“ Ihre Opfer seien zwangsadoptierte Kinder, Heimkinder oder Jugendliche, die in Jugendwerkhöfe eingewiesen wurden. „Sie leiden bis heute“, so Jahn. Die eiserne First Lady der DDR lebte seit Anfang der 1990er Jahre mit deutscher Rente in Santiago, ab und an ließ sie sich bei Feiern der KP blicken, oder wie 2011 an der Seite von Kubas Staatschef Raúl Castro. Aber die Zeiten ändern sich. Castro hat das Kriegsbeil mit den USA begraben - und in Lateinamerika fallen die linken Projekte wie Dominosteine um - so ist das von Hugo Chávez begründete Projekt eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ in Venezuela völlig aus dem Ruder gelaufen, das Land steht vor dem Ruin.

Trotz ihrer Abneigung gegen das „andere Deutschland“ erstritt sie vor dem Bundessozialgericht noch mehrere tausend Mark Nachzahlungen. Die am 17. April 1927 in Halle geborene Margot Feist hatte nach dem Krieg als SED-Mitglied Karriere in der DDR-Jugendorganisation FDJ gemacht. Mit 22 Jahren war sie die jüngste Abgeordnete in der Volkskammer. So lernte sie Erich Honecker kennen, 1953 heirateten sie. Schon 1951 wurde die gemeinsame Tochter geboren, die später einen Exil-Chilenen heiratete, daher die Verbindung nach Südamerika. Erich Honecker folgte ihr 1993 - nach Einstellung des Prozesses gegen ihn - nach Chile nach, er starb in Santiago de Chile bereits 1994.

Stasi als legitim bezeichnet

Die Stasi verteidigte sie als legitim, mit Blick auf erschossene Flüchtlingen meinte sie, es sei dumm gewesen, über die Mauer zu klettern. Sie galt als heimliche Machthaberin im einstigen Arbeiter- und Bauern-Staat. Ihren Mann soll sie wie eine Marionette geführt haben - bis zum Tod hielt sie an ihren Überzeugungen fest, noch 1989, kurz vor dem Mauerfall, hatte sie in einer „Erziehungsrichtlinie“ verfügt, dass der Sozialismus, wenn nötig, mit der Waffe verteidigt werden müsse. Die letzten Jahre verbrachte sie zurückgezogen - die Trauerfeier war noch einmal auch eine kleine Hommage an vergangene, kontroverse Zeiten. Auch die DDR wurde hier noch einmal beerdigt. (dpa)