Thüringen Thüringen: Tauziehen um die Immobilien des Adelsgeschlechts Reuß

Gera/dpa. - 1945 bis 1948 wurden der Grund- und Immobilienbesitz sowie dieKunstschätze der Reußen in der sowjetischen Besatzungszone enteignet.Zu den einstigen Immobilien der Reußen in Thüringen laufen amVerwaltungsgericht Gera 61 Rückgabeverfahren. «Nach der Ablehnung desRestitutionsantrages 1996 haben wir Klage eingereicht», erklärt dieRechtsanwältin der Reußen-Prinzessin, Gabriele Helfrich. Um dieProzesskosten nicht unnötig in die Höhe zu treiben, hätten dieRichter das Begehren der Reußen in 61 Fälle gesplittet. Nach Angabeneines Rathaussprechers sind davon 40 Immobilien im Eigentum der StadtGera - darunter der repräsentative «Küchengarten» samt Orangerie undPrinzenhäuser.
Die Kunstgegenstände gingen nach dem Zweiten Weltkrieg in denBesitz der Geraer Museen über. 1997 einigten sich die Stadt Gera unddas Fürstenhaus bei mehr als 1 500 Kunstgütern. Alleinige Erbin wurdeWoizlawa-Feodora. Im Januar 2005 entschieden die Verwaltungsrichterin einem Musterprozess, dass Erbprinz Heinrich 45. - ein Onkel derKlägerin - nach dem Zweiten Weltkrieg zu Recht enteignet wurde. Damitwürde die Ruine des einstigen Residenz- und Regierungssitzes SchlossOsterstein, das während des Krieges weitgehend zerstört wurde, nichtan die Familie rückübertragen. Die betagte Prinzessin akzeptierte denRichterspruch nicht und will ihn vom Bundesverwaltungsgericht prüfenlassen.
Bis zu einer endgültigen Entscheidung im Präzedenzfall ruhen alleanderen 60 Verfahren, sagt Gerichtssprecherin Kerstin Breuer-Felthöfer. «Wenn der Musterprozess durch ist, wird es aber mit denanderen Fällen schnell gehen», erklärt die Richterin. Doch derMusterprozess kann sich noch über Jahre hinziehen, denn die Klägerinüberlegt auch vor den Europäischen Menschengerichtshof und dasBundesverfassungsgericht zu gehen.
Hintergrund ist unter anderem das Gesetz zur Regelung offenerVermögensfragen und staatlicher Ausgleichszahlungen für Enteignungenauf besatzungsrechtlicher Grundlage von September 1994. Danachmeldeten wie das Adelshaus Reuß auch zahlreiche andere ehemaligeAdelshäuser in den neuen Ländern Rückgabeansprüche an. Inlangwierigen Verhandlungen einigte sich das Land Thüringen unteranderem mit dem Herzoghaus Sachsen-Coburg und Gotha. Es verzichteteunter anderem auf Kunstschätze und Immobilien im Wert von rund 270Millionen Euro und erhielt als Ausgleich rund 800 Hektar Landeswaldim Wert von 15 Millionen Euro.
Bundesweit hohe Wellen schlugen die Ansprüche des einstigenHerzoghauses Sachsen-Weimar und Eisenach unter anderem auf Goethe-Handschriften aus dem Goethe- und Schiller-Archiv, Bücher aus derHerzogin Anna Amalia Bibliothek sowie die Särge aus der Fürstengruft.Das Land Thüringen zahlt dem Adelshaus für den endgültigen Verzichtder zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Stücke 15 Millionen Euro.Dafür verkauft es Landeswald und Forstimmobilien. Die StiftungWeimarer Klassik musste den literarischen Nachlass von Eduard Mörike(1804-1875) für zwei Millionen Euro an das Literaturarchiv in Marbacham Neckar abtreten.