1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Stratege und «Quartalsirrer»: Stratege und «Quartalsirrer»: Das Achterbahn-Leben des Jürgen W. Möllemann

Stratege und «Quartalsirrer» Stratege und «Quartalsirrer»: Das Achterbahn-Leben des Jürgen W. Möllemann

Von Michael Donhauser 05.06.2003, 16:11
Der damals parteilose Abgeordnete Jürgen Möllemann sitzt am 14.5.2003 im Düsseldorfer Landtag (Archivbild). (Foto: dpa)
Der damals parteilose Abgeordnete Jürgen Möllemann sitzt am 14.5.2003 im Düsseldorfer Landtag (Archivbild). (Foto: dpa) dpa

Münster/dpa. - Kämpfer, Stehaufmännchen und Spielernatur,aber auch Intrigant und «Quartalsirrer» - seine wechselvollepolitische Karriere hat Jürgen Möllemann so manchen mehr oder wenigerrühmlichen Beinamen eingebracht. Der ehrgeizige Sohn eines AugsburgerPolsterermeisters hatte es - auch mit Hilfe seines Talents im Umgangmit den Medien - vom Lehrer bis zum Bundesminister und Vizekanzlergebracht. Und sich zum Schluss seiner Karriere mit einem Flugblattselbst ein Bein gestellt. Seine über Jahre auch in Wahlkämpfen zurSchau getragene Leidenschaft für das Fallschirmspringen markierte amDonnerstag auf schreckliche Weise das Ende einerschlagzeilenträchtigen politischen Achterbahnfahrt des 57-Jährigen.

   Das frühere CDU-Mitglied Möllemann trat 1970 der FDP bei und wurdeschon zwei Jahre später in den Bundestag gewählt, dem er bis zuseinem Tod ununterbrochen angehörte. 1982 wurde er unter seinempolitischen Ziehvater Hans-Dietrich Genscher Staatsminister imAuswärtigen Amt, 1987 Bundesbildungsminister und 1991Wirtschaftsminister. Bis 1993 war Möllemann acht Monate lang sogarVizekanzler unter Helmut Kohl. Seine Begeisterung für die Politikreichte sogar in die eigene Familie: Möllemanns Ehefrau Carola, mitder er - nach einer Tochter aus erster Ehe - zwei Töchter hat, istFDP-Kreisvorsitzende und Stadträtin in Münster.

   Lange Zeit musste der gelernte Lehrer Möllemann zum Teil mitbeißendem Spott seiner Politiker-Kollegen leben. Der früherebayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß titulierte den Wahl-Westfalen einst höhnisch als «Riesenstaatsmann Mümmelmann.» Die FDP-Politikerin Irmgard Adam-Schwaetzer, deren Wahlniederlage der alshintergründiger Strippenzieher bekannte Möllemann auf einem Parteitagbetrieben haben soll, wurde noch deutlicher: «Intrigantes Schwein».

   In seiner Heimatstadt Münster genoss der häufig als Polit-Clownabgestempelte Möllemann dagegen hohes Ansehen. Bis heute wird ihmdort hoch angerechnet, dass er 1992 den West-Ost-Wirtschaftsgipfelund damit Politprominenz von Weltruf in seine Heimatstadt holte. Derdamalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow war persönlicherGast Möllemanns. Im Münsteraner Vereinsleben war der begeisterteKarnevalist Möllemann eine feste Größe. Beim Fußball-BundesligistenSchalke 04 saß er im Aufsichtsrat.

   Doch schon wenige Jahre nach seinen größten Triumphen begann derlange Abstieg des bei Journalisten ebenso begehrten wie ungeliebtenSchlagzeilen-Lieferanten. 1994 musste er nach langen Querelen mit demdamaligen Parteivorsitzenden Klaus Kinkel sogar den Landesvorsitz fürdie FDP in Nordrhein-Westfalen abgeben. Schon 1996 erlangte daspolitische Stehaufmännchen das Amt wieder und führte die flügellahmeFDP 2000 bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen zu einembeachtlichen Wahlergebnis von fast zehn Prozent.

   Schon als Siegertyp gefeiert, schoss Möllemann anschließend überdas Ziel hinaus. Mit dem viel zu ehrgeizigen «Projekt 18» wollte erdie FDP und damit sich selbst wieder in Regierungsverantwortung aufBundesebene hieven. Ein Flugblatt, in dem er die Politik Israels undden Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, MichelFriedman, angriff, sollte sein Projekt retten - doch das «Projekt 18»scheiterte bei der Bundestagswahl 2002 kläglich, und das Flugblattwurde Möllemann politisch zum Verhängnis. Im März verließ er die FDPund kam einem Ausschlussverfahren damit zuvor. Die Antwort auf dieFrage, ob die diffuse Finanzierung des Flugblatts mit seinem Todzusammenhängt, wird er möglicherweise mit ins Grab genommen haben.