Sommerinterview mit Birgitta Wolff Sommerinterview mit Birgitta Wolff: "Es tut schon weh aber..."

Magdeburg - Der Magdeburger Wissenschaftshafen ist etwas Besonderes: Statt Schiffe gehen hier immer mehr wissenschaftliche Institute und Firmen vor Anker, zudem entwickelt sich eine studentische Szene mit netten Kneipen - den reizvollen Elbeblick inklusive. Das lockt inzwischen sogar Busladungen mit Senioren an. Uni-Professorin und Ex-Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff hat sich hier mit MZ-Redakteur Hendrik Kranert-Rydzy zum Sommergespräch verabredet.
Frau Wolff, wir sind nur an Ihrem zweitliebsten Ort. Warum nicht an Ihrem Lieblingsort?
Wolff: Sie meinen wahrscheinlich den Pferdestall.
Genau. Ich dachte, wir gehen zusammen reiten.
Wolff: Das können wir gerne noch tun. Aber ein Treffen im Pferdestall - das war mir zu viel Klischee.
Wie viele Pferde haben Sie denn?
Wolff: Zwei. Die eine Stute ist allerdings schon 24, die reiten
wir nur noch sehr schonend. Aber die andere ist im besten Alter und ganz geduldig. Die wäre etwas für Sie.
Und was wird aus denen, wenn Sie jetzt nach Frankfurt gehen um dort Uni-Präsidentin zu werden?
Wolff: Ich suche für sie eine passende Pferdepension. Die Pferde sind mir sehr wichtig. Mit ihnen kann ich mich von allem Beruflichen zurückziehen und erholen.
Sie haben immer betont, dass Ihnen das Land, dass Magdeburg Ihnen sehr ans Herz gewachsen ist. Jetzt verlassen Sie beides dennoch. Werden Sie untreu?
Wolff: Nein, ich behalte in Magdeburg einen Fuß in der Tür. Die Präsidentschaft an der Goethe-Uni ist auf sechs Jahre befristet. Ich kann mir vorstellen, danach hier an die Uni zurückzukehren. Der Gedanke, Hals über Kopf meine Zelte hier abzubrechen und meine Wohnung zu verkaufen, liegt mir völlig fern - auch emotional.
Was sagen denn Ihre Kollegen dazu, dass Sie jetzt doch gehen?
Wolff: Es haben sich viele total lieb geäußert. Sie sehen das wohl mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Und mir geht es ähnlich. Es tut schon weh, aber ich will diese neue Herausforderung annehmen. Sonst werde ich am Ende völlig unbeweglich und träge, eben weil es hier so schön ist.
Sie sind als erste Frau zur Präsidentin der Goethe-Uni gewählt worden. Macht Sie das stolz?
Wolff: Das mit der ersten Frau finde ich eher öde. Ich war die erste Habilitandin an unserem Institut in München; dann die erste Professorin und später die erste Dekanin an der Wirtschaftsfakultät in Magdeburg. Da gewöhnt man sich dran. Meine Hoffnung ist, dass das irgendwann mal als normal angesehen wird.
Warum Birgitta Wolff keinen Bock auf Quote hat, lesen sie auf Seite 2.
Sie haben keinen Bock auf Quote?
Wolff: Quote kann halt auch nach hinten losgehen. Wenn dadurch der Zungenschlag entstünde, Frauen hätten einen Job nur gekriegt, weil sie Frauen sind, wäre das nicht sehr schmeichelhaft.
Die Goethe-Uni hat fast so viele Studenten, wie alle Hochschulen in Sachsen-Anhalt zusammen. Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Wolff: Ich freue mich auf die neue Mission, aber es ist schon eine sehr große Aufgabe: An der Goethe-Uni studieren über 45 000 junge Menschen, in Sachsen-Anhalt haben wir gut 55 000 Studierende - auf circa 34.000 ausfinanzierten Studienplätzen. Einzelne Fachbereiche in Frankfurt sind größer als manche Hochschule hier. Da steigen auch die Ansprüche. Es geht nicht nur um Angebote in der Breite, sondern man muss in einigen Bereichen richtig, richtig gut sein - exzellent, wenn man das Wort mag. Ich will in Frankfurt weiterführen, was ich in Sachsen-Anhalt auch als Ministerin versucht habe - Wissenschaft und ihre Umgebung, auch die Wirtschaft, noch enger zu verzahnen. Die Goethe-Universität als von Bürgern gegründete Stiftungsuniversität hat da ein unglaubliches und noch immer steigerungsfähiges Potenzial.
Sie haben sich nach dem Ausscheiden aus der Politik eine Auszeit gegönnt. Wie war das nach drei Jahren Dauerstress im Ministeramt?
Wolff: Schön war’s. Ich habe ganz viel Nichts gemacht. Aber auch viel kommuniziert, Briefe und Mails geschrieben. Und viel Zeit mit meiner Familie verbracht, war drei Wochen bei meiner Schwester in den USA. Wir waren vor kurzem wieder alle zusammen auf Mallorca. Familie - gerade mit so quietschfidelen Kindern - ist was Tolles.
Nun fehlt Ihr Vater, der im Mai mit 76 Jahren verstarb.
Wolff: Ja, er hatte sich eigentlich über mehrere Jahre verabschiedet. Aber wir hatten gehofft, dass es noch ein paar Jahre mehr werden. Insofern war es schön, dass ich in seinem letzten Jahr viel mehr Zeit mit ihm hatte. Als Ministerin hätte ich die nicht gehabt. Er ist in seinem Bett zu Hause verstorben.
Sie erzählen das mit einem Lächeln
Wolff: Ein solcher Abschied ist schöner - soweit ein Tod schön sein kann -, als wenn ein geliebter Mensch am Ende an irgendwelchen Kabeln hängend auf einer Intensivstation liegt. Er fehlt uns allen sehr.
Ich will noch einmal auf unseren Treffpunkt zu sprechen kommen. Warum der Wissenschaftshafen?
Wolff: Ich gehe hier fast jeden Mittag her, wenn ich an der Uni bin. Ein Wohlfühlort, direkt an der Elbe, und zugleich immenses Potenzial. Der Ort in Magdeburg, wo sich Wissenschaft und dynamische Wirtschaft ideal treffen können. Hier kann etwas Analoges zum halleschen Weinberg-Campus entstehen. An Orten wie diesen, wo wissensintensive und technologiestarke Unternehmen arbeiten, liegen beste Chancen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Sachsen-Anhalts. Und daran hängt letztlich die Arbeitsmarkt- und Einkommenssituation. Wenn wir die Einkommenslücke gegenüber dem Westen schließen wollen, müssen wir produktive und gut bezahlte Jobs schaffen. Da ist der Wissenschaftshafen besser geeignet als das - sorry, wenn ich das Klischee wieder bemühe - 27. Nagelstudio.
Für genau diesen Satz sind Sie einmal schwer kritisiert worden.
Wolff: Ich habe nichts gegen Nagelstudios. Aber angesichts der Jobs, die da entstehen, und der gezahlten Löhne, zeigt sich, dass wir eben einen guten Mix brauchen. Ich bin als Ministerin durchs Land gezogen und habe fast gebetsmühlenartig dafür geworben, Wirtschafts- und Wissenschaftsförderung entsprechend umzustellen, um mehr Chancen auf besser bezahlte Jobs zu fördern.
Hält sich denn die Regierung nach ihrer Entlassung noch an Ihre Linie?
Wolff: Mein Nachfolger Hartmut Möllring arbeitet auf derselben konzeptionellen Basis weiter und macht da einen guten Job. Wir treffen uns hin und wieder und trinken ein Bier zusammen.
Missen Sie die Zeit in der Politik?
Wolff: Ich habe unendlich viel gelernt; auch tolle Menschen kennengelernt. Das war eine Bereicherung, für die ich sehr dankbar bin. (mz)
