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Sigmar Gabriel bei Gesprächsrunde in Dresden Sigmar Gabriel bei Gesprächsrunde in Dresden: Der Pegida-Versteher Siggi G.

Von Karl Doemens 25.01.2015, 12:42
Was macht der Privatmann Sigmar Gabriel in Dresden?
Was macht der Privatmann Sigmar Gabriel in Dresden? dpa Lizenz

Berlin - So einfach ist das. Krawatte und Anzugjacke aus, Pulli und Freizeitjacke drüber. Schon ist aus dem Vizekanzler Gabriel der Privatmann Siggi G. geworden. Derart camoufliert mischt er sich unters Dresdner Volk und diskutiert mit den Frustbürgern von Pegida. Eine absurde Inszenierung.

Erstens hätte der Privatmann aus Goslar überhaupt keinen Grund, nach Dresden zu reisen und dort mit den selbst ernannten Rettern des Abendlandes zu reden. Der aufgeklärte Bürger Gabriel gehört auf die Seite derjenigen, die gegen irrationale Ressentiments und Ausländerhass protestieren. Den Dialog mit den Frustbürgern könnte höchstens der SPD-Vorsitzende Gabriel suchen, der sich um sinkende Wahlbeteiligung und wachsende Demokratiemüdigkeit sorgt.

Dafür müsste er aber zunächst einmal dafür sorgen, dass sein eigener Laden eine unmissverständliche Haltung gegenüber Menschen zeigt, die hinter schwarz-rot-gold lackierten Kreuzen herlaufen und mit ausländerfeindlichem Unterton „WIR sind das Volk“ skandieren. Dann könnte er zum Beispiel über die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Gesprächsserie mit Bürger und Experten organisieren lassen, statt sich mit den umstrittenen Pegida-Verstehern der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung zu verbrüdern.

Keine kleinen Kinder

Zweitens wird natürlich auch ein Gabriel in Lederjacke erkannt und gefilmt - was ein nicht unbeabsichtigter Effekt des Auftritts sein dürfte. Beim sprunghaften SPD-Chef liegt der Verdacht nahe, dass sich Eigen-PR und Erkenntnisinteresse als Motive für seine plötzliche Persönlichkeitsspaltung zumindest die Waage halten. Dass er damit gleichzeitig seine Generalsekretärin und seinen populären Justizminister desavouiert, die sich gegen jeden Dialog mit Pegida ausgesprochen haben, nimmt er billigend in Kauf.

Drittens signalisiert der Vizekanzler mit seinem Besuch Verständnis für Leute, die Nazis und Rassisten hinterherlaufen, mit ihren bizarren Aufmärschen Millionen von Menschen nichtdeutscher Herkunft Angst einjagen und – Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat es gerade in aller Klarheit ausgesprochen – dem deutschen Ansehen in der Welt schaden. Wenn es Gabriel ernst meint mit seinem Verständnis für die Sorgen der kleinen Bürger, dann kann er als Vizekanzler jederzeit für bessere Integrationsangebote oder eine bessere personelle Ausstattung der Polizei sorgen. Eines öffentlichkeitswirksamen Kurzbesuchs bei den Wutbürgern bedarf es dazu nicht.

Die Pegidisten sind keine kleinen Kinder, die man politpsychologisch betreuen muss. Es sind erwachsene Menschen, die verdienen, ernst genommen zu werden. Dazu gehört auch, dass sie für ihre Sprüche und ihre Hass-Mails selbst verantwortlich sind. Wenn Hetze gegen Minderheiten in Deutschland gesellschaftsfähig wird und Politik am sichtbarsten da reagiert, wo am lautesten gepöbelt wird, bekommt die Demokratie ein ernstes Problem.