Kommentar zum Satire-Streit Satire-Streit mit Recep Tayyip Erdogan: Am Ende lacht nur einer: Jan Böhmermann

Berlin - Recep Tayyip Erdogan, so viel Respekt muss sein, fickt keine Ziegen. Der Präsident der Republik Türkei missbraucht Demokratie und Rechtsstaat, er unterdrückt lustvoll die Pressefreiheit und die unabhängige Justiz, die Freiheit der Meinung, der Kunst und der Kurden versetzt ihn regelmäßig in heftigste Erregung, aber Ziegen hatten bisher, soweit bekannt, von ihm nichts zu fürchten.
Deshalb ist Erdogans Forderung, die gegenteilige Behauptung des TV-Komikers Jan Böhmermann in Deutschland strafrechtlich zu verfolgen, verständlich. Und klar ist auch, warum der türkische Präsident noch nie Verfahren gegen deutsche Politiker, Journalisten oder Satiriker gefordert hat, die ihn als autokratisch, größenwahnsinnig, korrupt und demokratiefeindlich beschimpfen – der Wahrheitsbeweis wäre leicht zu erbringen. Würde es dem internationalen Ansehen Recep Tayyip Erdogans wirklich helfen, wenn ihm demnächst ein deutsches Strafgericht bestätigte, jedenfalls und immerhin kein “Ziegenficker“ (Böhmermann) zu sein?
Böhmermann bringt Bundesregierung in eine peinliche Lage
Das Schmähgedicht auf Erdogan war von Böhmermann als schwere Beleidigung gemeint, und so ist es von Erdogan auch wahrgenommen worden. Dem Komiker war auch bekannt, dass die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts strafbar ist (§ 103 Strafgesetzbuch) und verfolgt werden kann, wenn der Betroffene die Strafverfolgung verlangt und die Bundesregierung die Ermächtigung dazu erteilt (§104a StGB).
Nicht trotzdem, sondern deshalb hat Böhmermann das Gedicht geschrieben. Satire darf alles, Comedy macht alles –Böhmermann macht noch ein wenig mehr und bringt die Bundesregierung in eine peinliche Lage. Er weiß, dass Erdogan für die Flüchtlingspolitik Angela Merkels eine entscheidende Rolle spielt, die ein Zerwürfnis mit ihm keinesfalls riskieren darf.
Märtyrer oder erfolgreichster Verteidiger der Meinungsfreiheit
In der Situation kann nur einer gewinnen: Jan Böhmermann. Gestattet die Regierung die Strafverfolgung und würde Böhmermann verurteilt, dürfte er sich als Märtyrer der Meinungsfreiheit feiern lassen. Weist die Bundesregierung aber die Forderung Erdogans zurück, stünde Böhmermann als der erfolgreichste Verteidiger der Meinungsfreiheit dar, seit die Türken zuletzt 1683 Wien belagerten.
Der schönste Triumph wäre es natürlich, wenn der Komiker angeklagt und freigesprochen würde. Dann hätte sowohl die Bundesregierung verloren – denn sie hätte vor Erdogan „gekuscht“ – als auch der türkische Präsident, den dann alle Welt als „Ziegenficker“ schmähen könnte.
Tatsächlich wäre ein Freispruch Böhmermanns gar nicht einmal unwahrscheinlich. Zu seiner Verteidigung könnte er sagen: „Ich habe die Ehre Erdogans verletzt, Erdogan aber tötet in seinem Land die Meinungs- und die Pressefreiheit.“ Der deutsche Richter, der Böhmermann verurteilt, bräuchte gute Nerven und noch bessere Gründe.
Reizvolle Aussicht für Böhmermann
Die Verteidigung Böhmermanns hat allerdings – nicht im juristischen, aber im moralischen Sinn – ein kleines Problem. Sein Schmähgedicht, das sich hemmungslos antimuslimischer Ressentiments bedient, zielt tatsächlich nicht auf Erdogan und nicht, wie aber einige Kritiker beklagen, auf die Türken, sondern vor allem auf die öffentliche Aufmerksamkeit.
Böhmermann hat Witz, aber sein Witz hat keine Substanz. Er richtet seinen Blick nicht auf die repressive Politik des türkischen Präsidenten, er schielt nur auf die Reaktion der Medien. Über die kann er sich nicht beklagen. Jetzt hat sogar Mathias Döpfner, der Chef der Springer-Konzerns, seine „Solidarität mit Jan Böhmermann!“ verlautbart: „Ich möchte mich, Herr Böhmermann, vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen.“
Die Aussicht, als Verteidiger der Meinungs- und der Kunstfreiheit vor Gericht zu stehen, ist reizvoll. Es gibt noch Helden in Deutschland.