Religion und Medien Religion und Medien: Streit um «Das Wort zum Sonntag»
Berlin/dpa. - Etwa 1,6 Millionen Zuschauerempfangen die Botschaft der katholischen und evangelischenGeistlichen. Doch nachdem das ZDF ein Internet-«Forum zum Freitag»mit Beiträgen für Muslime angekündigt hat, gibt es auch Streit um dieARD-Sendung. Die Kirchen wollen von ihrem angestammten Platz amSamstagabend nicht weichen.
Ein «Anachronismus» sei das «Wort zum Sonntag», hatte derVizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn,gesagt. Die ARD solle über ein neues Konzept für die 53 Jahre alteSendung nachdenken und alle Glaubensbekenntnisse berücksichtigen,sagte Korn dem «Spiegel» und schlug stattdessen ein journalistischesGespräch der Religionen vor.
Auch die Grünen wollen das christliche Verkündungsmonopol imöffentlich-rechtlichen Fernsehen knacken. «Ein Wort zum Freitag fürdie Muslime ist ein längst überfälliger Schritt zurgesellschaftlichen Integration», sagt ihr ParlamentarischerGeschäftsführer im Bundestag, Volker Beck. Christentum, Islam undJudentum sollten alle einen angemessenen Sendeplatz erhalten.
Eher «verwundert» über die Debatte ist Pfarrer Bernd Merz. DerRundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)findet die Reaktionen auf den «gut gemeinten» ZDF-Vorschlagüberstürzt. Mit 52 Millionen Kirchenmitgliedern und vielen, die nichtan die Amtskirche gebunden sind, seien die Christen in Deutschlandnun einmal die religiös prägende Mehrheit. «Ich sehe nicht ein, warumwir den Samstagabend teilen müssen». Auch die katholische Kirchesieht keinen Grund, am Angebot zu rütteln.
Merz verweist darauf, dass die Zusammenarbeit zwischen den Kirchenund den öffentlich-rechtlichen Sendern in einem Staatsvertraggeregelt ist. Zwar seien die Kirchen grundsätzlich dafür, dass etwaauch Juden oder Muslime mehr Sendeplatz bekommen. Eine offizielleVereinbarung mit den Muslimen würde aber schon daran scheitern, dassdie islamischen Gemeinden keinen rechtlich anerkannten Dachverbandhätten. «Fernsehen ist kein offener Kanal», sagt der EKD-Vertreter.
Für «vorgeschoben» hält dagegen der Berliner IslamwissenschaftlerPeter Heine die Frage nach einer rechtlichen Vertretung der Muslime.Zwar spreche eine Institution wie etwa der Zentralrat der Muslime nurfür etwa zwei Prozent aller Gläubigen in Deutschland. «Ob derKardinal Meisner oder der Bischof Mixa auch für alle Christensprechen, möchte ich bezweifeln», sagt der Professor der Humboldt-Universität, der sich vorstellen kann, dass auch ein Imam mal ein«Wort zum Sonntag» spricht. Ohnehin seien die Beiträge in der Sendungeher harmlos und nie «eine kontroverse Angelegenheit».
Das sieht die Berliner Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit anders.Als eine der neun Geistlichen, die im Wechsel das Sonntags-Wort inder ARD sprechen, bemühe sie sich, brisante Themen anzusprechen.«Wäre ich an diesem Wochenende dran, hätte ich über das Thema"Gebärmaschine" gesprochen». Es wäre «schlecht», die ohnehin kurzeSendezeit mit anderen Religionsgemeinschaften teilen zu müssen.
Als «neues Kapitel in der deutschen Integrationsposse» empfindetder in Ankara geborene Schriftsteller Zafer Senocak die Debatte umdie Religionsangebote im Fernsehen. In Deutschland «wird jeder Türkeunvermeidlich zum Muslim», sagte der seit 1970 in der Bundesrepubliklebende Autor im Deutschlandradio Kultur. «Als Türke kann man sich inDeutschland nämlich nicht integrieren, als Muslim schon». Dies seikein gutes Zeichen für «eine Bürgergesellschaft».