Referendum Referendum: Türkische Regierung erklärt Sieg - Opposition spricht von Manipulation

Istanbul - Recep Tayyip Erdogan hat seinen Willen bekommen: Eine knappe Mehrheit der Türken hat laut Wahlkommission bei dem Volksentscheid am Sonntag für die Stärkung der Macht des türkischen Präsidenten gestimmt. Die Opposition zog am Abend jedoch die Legitimität der Abstimmung in Zweifel und kündigte an, das Ergebnis anzufechten.
„Mit dem Volk haben wir die wichtigste Reform in unserer Geschichte realisiert“, sagte Erdogan am Abend in seiner Residenz in Istanbul. Als er kurz darauf vor jubelnden Anhängern auf die Straße trat, drängte er auf die rasche Wiedereinführung der Todesstrafe. Sollte er dafür keine Mehrheit im Parlament erhalten, wäre ein zweites Referendum möglich, sagte Erdogan.
Yildirim erklärt Türkei zum Sieger
Ministerpräsident Binali Yildirim hatte kurz zuvor in Ankara den Sieg für das Regierungslager reklamiert und sich versöhnlich gegeben. „In der Geschichte unserer Demokratie ist eine neue Seite aufgeschlagen worden“, sagte er. Es sei „der Moment der Solidarität, der Einheit, des Zusammenhalts“ gekommen. Es gebe „keinen Verlierer“, die Türkei sei der Gewinner.
Die Hohe Wahlkommission bestätigte am späten Abend den Sieg des Ja-Lagers. Das Ja liegt demnach mit 1,25 Millionen Stimmen vor dem Nein. Nur 600.000 Stimmzettel blieben noch auszuzählen. Das Endergebnis werde binnen elf Tagen vorliegen. Den vorläufigen Ergebnissen zufolge stimmten 51,4 Prozent der Wähler mit Ja, die Gegner erreichten 48,6 Prozent, wie Staatsmedien berichteten.
Opposition fordert Neuauszählung
Die beiden größten Oppositionsparteien CHP und HDP zogen jedoch die Legitimität der Abstimmung in Zweifel und forderten eine Neuauszählung von zwei Drittel der Stimmzettel, da es Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Es gebe Hinweise auf eine „Manipulation der Abstimmung in Höhe von drei bis vier Prozentpunkte“, erklärte die prokurdische HDP.
Der CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu sagte, die Wahlkommission habe „einen dunklen Schatten auf die Entscheidung des Volkes geworfen“. Zuvor hatte die Wahlkommission in einem umstrittenen Schritt entschieden, nicht offiziell zugelassene Stimmzettel als gültig zu akzeptieren.
In Istanbul gingen in der Nacht zu Montag aus Protest tausende Menschen in den Vierteln Kadiköy und Besiktas auf die Straße, die traditionell Hochburgen der Regierungsgegner sind. Vielerorts stellten sich Einwohner an ihre Fenster und schlugen aus Protest gegen Erdogan auf Kochtöpfe.
Türken in Deutschland mehrheitlich für Reform
Die hohe Beteiligung von 85,5 Prozent zeigte die starke Mobilisierung der Bevölkerung. Der wochenlange Wahlkampf hatte eine massive Mobilisierung beider Lager gesehen, aber die Gesellschaft auch wie selten zuvor polarisiert. Die Spaltung des Landes zeigte sich beim Blick auf die Wahlkarte, die eine klare Aufteilung zwischen Ja und Nein zeigte. Insgesamt waren 56,3 Millionen Wähler zur Stimmabgabe aufgerufen, davon 2,9 Millionen Türken im Ausland.
Wie Teilergebnisse zeigten, stimmte die türkische Diaspora überwiegend für die Pläne Erdogans. In Deutschland befürworteten laut Anadolu 63,0 Prozent der Wähler die Reform. Die Opposition warnte, dass mit dem Präsidialsystem in der Türkei Demokratie, Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt würden. Sie befürchten ein Abgleiten des Landes in eine autoritäre Ein-Mann-Herrschaft. Die Regierung verspricht dagegen, dass die Stärkung der Macht des Präsidenten dem Land Stabilität und Sicherheit bringen werde. (afp)
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