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Rechtsextremismus Rechtsextremismus: Neonazis in Gefängnissen suchten offenbar auch Kontakt zu Zschäpe

Von Markus Decker Und Andreas Förster 10.04.2013, 14:01
Mit Stacheldraht gesichert ist in Frankfurt am Main eine Mauer der neuen Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankfurt am Main
Mit Stacheldraht gesichert ist in Frankfurt am Main eine Mauer der neuen Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankfurt am Main dpa/ARCHIV Lizenz

Berlin/MZ. - Ein rechtes Netzwerk in Gefängnissen hat nach Angaben der hessischen Justiz auch Kontakt zu der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe gesucht. Ihr Name und die Anschrift in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf standen auf einer Liste, die in der Zelle eines Neonazis im Gefängnis Hünfeld in Hessen gefunden wurde. Das berichtete der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) am Mittwoch in Wiesbaden. Es gab zunächst keine Angaben, ob tatsächlich Post an Zschäpe ging. Sie saß in Köln, bevor sie nach München-Stadelheim verlegt wurde, wo sie zurzeit auf ihren am 17. April beginnenden Prozess wartet.

Bei dem in Hünfeld einsitzenden Neonazi handelt es sich nach Angaben hessischer Behörden um einen mehrfach verurteilten Straftäter aus Kassel. In seinem Namen war im Oktober 2012 in der Motorradzeitschrift „Bikers News“ eine Anzeige geschaltet worden, die für eine bundesweite rechtsgerichtete Gefangenenhilfsorganisation warb.

Am Dienstag war bekanntgeworden, dass hessische Behörden von den Netzwerk-Plänen rechtsextremer Häftlinge erfahren hatten. Daraufhin wurden Zellen durchsucht und Postsendungen überprüft.

Nach MZ-Informationen sind insgesamt Hunderte rechtsextremistische Straftäter und Motorrad-Rocker in mindestens zwanzig deutschen Haftanstalten involviert. Das geht aus der Erklärung einer Gefangenenhilfsorganisation hervor, die sich unter der Bezeichnung „AD Jail Crew (14er)“ vor einem Jahr gegründet hat. Das Netzwerk soll die Kommunikation zwischen den inhaftierten Neonazis und Rockern sowie zwischen Häftlingen und der rechten Szene außerhalb der Justizvollzugsanstalten organisieren. Als mutmaßlicher Sprecher gilt der vorbestrafte Bernd Tödter aus Kassel, der jetzt in Hünfeld einsitzt. Das Netzwerk wurde in Hünfeld gegründet, bezeichnenderweise am 20. April 2012. Der 20. April ist der Geburtstag Adolf Hitlers.

Die Abkürzung AD vor Jail Crew (umgangssprachlich für „Knastbrüder“) steht für Aryan Defense, zu deutsch: Arische Abwehr. Der in Klammern gesetzte Zusatz „14er“ ist eine Chiffre für den Nazi-Code der „14 Words“ (siehe auch Beitrag „Verwirrende Vielfalt“). Neben der versuchten Kontaktaufnahme zu Zschäpe sollen Mitglieder von „AD Jail Crew“ versucht haben, Nachrichten für den inhaftierten mutmaßlichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben zu schmuggeln. Er gilt neben Zschäpe als zweite zentrale Figur des NSU-Prozesses in München.

Die Bundesregierung hält sich bedeckt. Das Innenministerium hatte erst 2011 die neonazistische „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene“ verboten. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, sagte der MZ: „Die Hauptsache ist die Schulung der Mitarbeiter in den Justizvollzugsanstalten. Sie müssen die Symbole und Codes der Szene kennen. Sonst wird man solchen Strukturen nicht auf die Spur kommen. Ich habe selbst als Justiz-Staatssekretär in Sachsen-Anhalt an solchen Schulungen teilgenommen und gehe seither zum Beispiel anders über den Weihnachtsmarkt, wenn ich manche Sweatshirts sehe.“ Lischka regte zudem an, Mitläufer vom harten Kern der Szene zu trennen.