Rechtsextremismus Rechtsextremismus: BGH verhandelt im «Landser»-Verfahren
Karlsruhe/dpa. - Das hasserfüllte Stück findet sich auf der CD «Republik derStrolche», heimlich 1995 in Schweden aufgenommen und in Deutschlandkonspirativ in der rechten Szene verbreitet. Mit der CD stieg die imVerborgenen agierende Gruppe «Landser» zur Kultband derRechtsextremisten auf - und inspirierte Gewalttäter: Einer derMänner, die im Juni 2000 in Dessau einen Mosambikaner erschlagenhaben, fand Ansporn im «Afrika-Lied» der «Landser» («Afrika fürAffen, Europa für Weiße, steckt die Affen ins Klo und spült sieweg wie Scheiße»).
Mit seiner Revision will der Texter und Sänger der inzwischenzerschlagenen «Landser» das Urteil des Kammergerichts Berlin zu Fallbringen, das im Dezember 2003 drei Jahren und vier Monaten Haft gegenihn verhängt hatte. Was den Fall einzigartig macht: Der Kopf derMusiker wurde nicht nur wegen Volksverhetzung und Verbreitung vonNazipropaganda verurteilt, sondern auch wegen Rädelsführerschaft ineiner kriminellen Vereinigung. «Das hat es so noch nicht gegeben,dass man eine Musikgruppe zur kriminellen Vereinigung machen will»,sagt sein Verteidiger Arnold Wendorff.
Das Kammergericht tat sich in seinem 157-Seiten-Urteil jedenfallsschwer, die Drei-Mann-Band aus Sänger, Schlagzeugler und Bassist inein Raster einzupassen, das für hoch organisierte Banden geschaffenwurde. Immerhin, so das Gericht, habe «Landser» über beste Kontaktein der internationalen Rechtsextremisten-Szene verfügt. AuchGeneralbundesanwalt Kay Nehm hatte lange gebraucht, um eine Anklagegegen die Gruppe zusammenzubringen, deren Einfluss in der Szene zwargroß ist, deren sonstige Rechtsverstöße wie Volksverhetzung aber -verglichen mit Mord oder Körperverletzung - nicht gerade zu denSchwergewichten im Strafgesetzbuch gehören.
Überhaupt haben es die komplizierten Zuständigkeitsvorschriftenden Karlsruher Ermittlern bisher nicht leicht gemacht, gegenrechtsextreme Gruppierungen vorzugehen. Die Organisationsdelikte -Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung - passtendereinst auf die straff geführte «Rote Armee Fraktion», waren aberselbst auf die oft nur lose zusammen geschlossenenrechtsextremistischen Schlägertrupps kaum anwendbar.
Zwar gab es Ende der 70er und in den 80er Jahren in der rechtenSzene mehrere Verurteilungen wegen Bildung terroristischerVereinigungen, etwa 1982 gegen die «Deutschen Aktionsgruppen» desRechtsextremisten Manfred Roeder. Doch danach ging nicht mehr viel.Eine Terroranklage gegen die Verbreiter der Schrift «Bewegung inWaffen» scheiterte Ende der 90er Jahre.
Umso bemerkenswerter war das Urteil des OberlandesgerichtsBrandenburg vom vergangenen Montag, das - erstmals seit den 80erJahren - eine Gruppe rechtsextremistischer Gewalttäter alsterroristische Vereinigung einstufte. Das havelländische «Freikorps»wies einen für Neonazis ungewöhnlich hohen Organisationsgrad auf: DerAusländerhass war gleichsam per Satzung festgeschrieben, sogar einenSchatzmeister hatte die Gruppe ernannt. Auch im Münchner Neonazi-Prozess um den vereitelten Bombenanschlag auf das geplante JüdischeZentrum scheint sich der Terrorvorwurf mehr und mehr zu verfestigen:Zwei der vier Angeklagten haben am Dienstag umfassende Geständnisseabgelegt.