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Pädophilie-Studie Pädophilie-Studie: Grüne entschuldigen sich bei Missbrauchs-Opfern

Von Steven Geyer 12.11.2014, 16:32
„Von der Idee, weitere Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, sind wir Grüne nicht überzeugt“, erklärte Simone Peter.
„Von der Idee, weitere Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, sind wir Grüne nicht überzeugt“, erklärte Simone Peter. dpa Lizenz

Berlin - Einen Freispruch konnten die Grünen nicht erwarten, als sie nach heftigen Angriffen Anfang 2013 bewusst den Göttinger Parteienforscher und ausgewiesenen Grünen-Kritiker Franz Walter beauftragten, ihre Rolle in der 80er-Jahre-Debatte um die Straffreiheit von Pädosexualität zu erforschen. Einen Freispruch bekamen sie nun auch nicht, als Walter seinen Abschlussbericht mit der Grünen-Vorsitzenden Simone Peter vorstellte.

Die Grünen hätten in ihren Gründungsjahren pädosexuelle Positionen nicht nur toleriert, sondern sie als Forderung einer unterdrückten Minderheit „ideologisch veredelt“. Als Sammelbewegung „anti-repressiver Gruppen“ hätten sie in den frühen 80ern verschiedenste Positionen in ihren Programmen teils schlicht addiert – selbst wenn die so widersprüchlich wurden.

Das gelte auch für den Ruf nach Straffreiheit von Sex mit Kindern: Einerseits habe es dagegen auch innerhalb der Grünen Widerspruch gegeben. Andererseits habe die Partei die Forderung, die im Zuge der Liberalisierung des Sexualstrafrechts seit den späten 60ern immer wieder aufkam, durch ihre Übernahme „ideologisiert und politisiert“.

So hätten die Grünen damals zur „parteipolitischen Legitimierung“ pädosexueller Positionen beigetragen. Laut der Studie brachten zwei Aktivistengruppen die Positionen zu den Grünen: Pädosexuelle, die sich unter die Schwulenbewegung mischten, und vermeintliche Kinderrechtler, die sich auf die Reformpädagogik beriefen.

Für seine Studie hatte Walter mit seinen Mitarbeitern ein gutes Jahr etliche Archive durchforstet – vor allem grüne Parteiarchive. So frei von Beeinflussung durch den Geldgeber habe er lange nicht forschen können, lobte er. Das Gutachten, das auch als 300-seitiges Buch erscheint („Die Grünen und die Pädosexualität“), kommt nun zu einem differenzierten Ergebnis.

So verweist es auf eine wegweisende Anhörung von rund 30 Pädagogen, Sexualwissenschaftler, Kriminologen und Soziologen, die 1970 im Bundestag uniso bestritten, dass Kinder durch Sex mit Erwachsenen Schäden erlitten. „Niemand hat dem widersprochen“, sagte Walter nun, „keine Fraktion, auch nicht die CDU/CSU, auch nicht die konservative Presse“. Dieser Kontext sei prägend gewesen – den „Zeitgeist“ lässt Walter aber nicht als Entschuldigung gelten. Denn die Grünen wollten dem Zeitgeist ja nie nachlaufen, sondern Avantgarde sein.

Parteichefin Peter versuchte keine Relativierung. Sie distanzierte sich von den Beschlüssen der 80er. „Wir bedauern zutiefst, dass Täter unsere Beschlüsse als Legitimation empfunden haben können“, sagte sie und entschuldigte sich bei „allen Opfern sexuellen Missbrauchs, die sich durch die grünen Debatten der 80er Jahre in ihrem Schmerz und ihrem Leid verhöhnt fühlen“. Die Grünen hätten die Aufarbeitung früher anstoßen und Konsequenzen ziehen müssen. Inzwischen leitet Peter eine Aufarbeitungs-Arbeitsgruppe. Die Ergebnisse debattiert Ende November der grüne Bundesparteitag.

Politologe Franz Walter
Politologe Franz Walter
picture alliance / dpa Lizenz