«Ohne Zweifel eine andere Deutsche» «Ohne Zweifel eine andere Deutsche»: Kanzlerin Merkel gratuliert Israel auf Hebräisch
Jerusalem/dpa. - Tags darauf die ersten deutsch-israelischenRegierungskonsultationen in Jerusalem.
Doch während des ganzen Aufenthalts war Angela Merkel anzumerken,dass für sie der Auftritt im israelischen Parlament zum Abschluss desBesuchs der eigentliche Höhepunkt ist. Die Reise zum 60. Jahrestagder Staatsgründung Israels konnte für sie nur dann ein Erfolg sein,wenn auch dieser Schlussstein gelingt.
Langsam betritt Merkel an diesem Nachmittag den Saal. Ihr wird einSessel neben der Parlamentspräsidentin Dalia Izik zugewiesen. Hochüber den Abgeordneten verfolgt sie bewegt, wie die Parlamentarier inder Sondersitzung die israelische Nationalhymne singen. Sie wirktberührt in diesem Moment. Nach den Reden von israelischer Seite sindihre ersten Worte «Frau Präsidentin, ich danke, hier zu Ihnensprechen zu dürfen. Ich empfinde dies als große Ehre.» Sie sprichtsie auf Hebräisch. Die Abgeordneten klatschen, was sonst in dem Hausnicht üblich ist.
Sie dankt danach auf Deutsch reden zu dürfen. Zuvor hat dernationalistische Abgeordnete Ariel Eldad den Saal verlassen. Schonvor Beginn der Sitzung ruft er erregt, dass er die Rede in derSprache der Täter nicht hören wolle, weil seine Großeltern vonNationalsozialisten umgebracht worden seien. Weitere Abgeordnete sindgar nicht erst gekommen. Es ist aber die Minderheit.
Merkel hatte sich lange mit der Rede beschäftigt. Dass sie dererste ausländische Regierungschef sein sollte, der von der Knesset zueiner Rede eingeladen war, empfand sie als Herausforderung. Zu Beginnerinnert Merkel an den Holocaust, und nennt ihn «die moralischeKatastrophe in der deutschen Geschichte».
Die Rede von Merkel unterscheidet sich dann aber von denen derBundespräsidenten Johannes Rau und Horst Köhler, die vor der Knesset2000 und 2005 als erste deutsche Politiker gesprochen hatten. Rauhatte vor allem das Bekenntnis abgelegt, dass Deutschland zu seinerGeschichte stehe: «Es gibt kein Leben ohne Erinnerung.» Köhler hattedann später aber schon von einer Zukunftspartnerschaft gesprochen.
Daran knüpft Merkel an. Auch ihr Blick gilt vor allem derGegenwart und der Zukunft. «Erinnerung muss sich immer wieder neubewähren. Aus Gedanken müssen Worte werden. Und aus Worten Taten.»Sie entwickelt in den 20 Minuten die Vision einer engen Partnerschaftzwischen Deutschland und Israel.
Sie bekräftigt ihr Bekenntnis zum Eintreten für die SicherheitIsraels auch gegen eine mögliche Bedrohung durch iranischeAtombomben. Die Sicherheit sei für sie nicht verhandelbar, sagt sie.Zuvor hat Parlamentspräsidentin Izik an Merkel appelliert: «Vom Hausder Überlebenden rufe ich Sie auf, uns die Hand zu reichen, dasTodesurteil aus der Welt zu schaffen.» Sie meinte damit iranischeAtomwaffen.
Die eigentliche Überraschung der Rede ist, wie direkt sie Israelisund Palästinenser zum Kompromiss in den Friedensverhandlungenaufruft. «Es bedarf der Kraft auch zu schmerzlichen Zugeständnissen.»So deutlich ist ein deutscher Politiker selten geworden. Es ist andiesem Tag ein Wagnis.
Die Kanzlerin kam in Israel gut an. Mit Ministerpräsident EhudOlmert hat sie ein Vertrauensverhältnis. Aber auch der Holocaust-Überlebende und Journalist Noah Klieger schrieb am Dienstag, Merkelsei «ohne Zweifel eine andere Deutsche». Sie sei nach dem Holocaustgeboren und trage keinerlei Schuld «an den Verbrechen der Generationihrer Eltern und Großeltern». Merkel sei «unter den wenigenFührungspersönlichkeiten auf der Welt, die Verständnis für diekomplexe Situation Israels und seine existenzielle Bedrohung haben».Andere Kommentatoren sprachen davon, Merkel habe die Israelis umarmt.
Das tut den Israelis gut. Die Zahl ihrer Todfeinde hat sich zwarin den vergangenen Jahren reduziert, nicht aber die Gefahren für dasLand, insbesondere durch den Iran. Da hofiert augenscheinlich auchein stolzer Staat Freunde besonders, insbesondere, wenn dieSchutzmacht USA schwächelt. Als Merkel die Knesset verließ, schienendie Abgeordneten zufrieden mit der Verbündeten aus Deutschland. ZumSchluss hatte sie Israel auf Hebräisch gratuliert. Ihr letztes Wortwar Schalom.