NVA-Uniformen und Ostalgie-Produkte NVA-Uniformen und Ostalgie-Produkte: "Deutschland kann mit Gestrigen umgehen"

Halle (Saale)/MZ/wschl - Nach einem Aufmarsch von Mitgliedern vom „Traditionsverband Nationale Volksarmee e.V.“ in NVA-Uniformen am 9. Mai, dem 68. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow will Philipp Mißfelder, der Chef der Jugendorganisation „Junge Union“ (JU) von CDU und CSU, am liebsten „das Tragen von DDR-Symbolen“ und die „Verherrlichung der DDR“ durch Ostalgie-Produkte gesetzlich verbieten. Zahlreiche MZ-Leser schrieben dazu Leserkommentare.
Dabei sind so ziemlich alle Meinungen vertreten, ernst gemeinte und weniger ernst gemeinte. Leser tugrisu etwa schreibt, eine gesunde Gesellschaft und Demokratie könne mit solchen Symbolen umgehen, egal, ob es sich die der DDR oder um Symbole der Nazis wie die Reichskriegsflagge handelt: „Ich finde die Unterdrückung der Geschichte, gleich welcher, vollkommen falsch. Deutschland kann sehr gut mit den immer noch Gestrigen umgehen. Da braucht es keine Staatsmacht. Das kann das Volk allein.“
Leser Frapo ist weniger tolerant. „Bei allem Respekt, man sollte die Junge Union als demokratiefeindliche Organisation (…) verbieten lassen.“ Leser Holger ergänzt, genau genommen sei es nicht demokratiefeindlich, sondern verfassungsfeindlich, weil solche Forderungen am Grundgesetz rütteln. Holger erinnert im dem Zusammenhang an Mißfelders Zitat aus dem Jahr 2003: „Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen.“ Für Leser Toll hat die Junge Union „offensichtlich Probleme mit dem eigenen Selbstverständnis - was man respektieren kann - die werden auf der Suche sein“.
Mehrere Kommentatoren sehen die Debatte aus einer anderen Richtung. „Anstatt gegen Nichtigkeiten wie DDR-Symbole zu geifern, sollte man sich in diesem Staat lieber mit dem zunehmend um sich greifenden braunen Nazi-Sumpf auseinandersetzen. Aber auf diesem Auge ist man zumeist blind. Zudem: Wer sich gegen DDR-Symbole als „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ ausspricht, sollte konsequenterweise auch kirchliche Symbole wie Kreuz und Kutte als Kennzeichen für millionenfachen Völkermord in der Menschheitsgeschichte verbieten“, findet Leser gunku. Ein anderer Kommentator nennt die JU mit satirischem Unterton die „FDJ des Westens“ und wundert sich, warum solche Dinge 24 Jahre nach dem Mauerfall nicht überwunden sind.
Leser Janus ist unsicher, ob hinter der JU-Forderung eine neue „Rote-Socken-Kampagne“ um Wahlstimmen stünde oder Angst vor Sozialismus und Kommunismus. Janus erinnert an Mitglieder eines „Verein für Militärgeschichte“, der beim Umzug zum Sachsen-Anhalt-Tag 2009 in Thale (Landkreis Harz) mit Uniformen von Wehrmacht und Waffen-SS mitgelaufen war. Damals habe es kein „Verbots-Geschrei seitens der CDU und der Jungen Union“ gegeben, so Janus.
Der Leser Heide-Nord findet, „totalitär ist demokratiefeindlich, egal ob von ganz rechts oder ganz links“. Dazu gehöre, dass man die politischen Symbole nicht in der Öffentlichkeit zur Schau stellt, egal ob Hakenkreuz, SS-Runen, Roter Stern, DDR-Wappen, Hammer und Sichel oder MfS-Emblem oder Bilder von Hitler, Stalin, Mao oder Che Guevara. Leser mfleischer geht noch einen Schritt weiter und fordert, Ostalgie-Partys zu verbieten. „Dieses unsägliche Herumstolzieren in NVA- und VP-Uniformen ist ekelhaft und verhöhnt die Opfer der DDR-Diktatur“.
Joachim Büttner erinnert an die FDJ, an die viele ehemalige DDR-Bürger „gute Erinnerungen“ hätten, weil mehr „für die Freizeitgestaltung der Jugend getan“ worden sei als heute, etwa in Jugendclubs, mit Jugendtanzveranstaltungen, Sportveranstaltungen und Jugendtouristik. Man müsse in der DDR gelebt haben, um mitreden zu können, erklärt Büttner. Leser mfleischer entgegnet: „Ach war das schön in der DDR. Und die staatliche Fürsorge erst, herrlich! Um nichts musste man sich kümmern, der FDJ- oder Partei-Sekretär konnte alles richten.“
Mehrere Kommentatoren reagieren mit Ironie auf den Vorschlag der Jungen Union. Leser salzstrasse erinnert sich an einen Besuch in Trier (Rheinland-Pfalz), wo es ein Volksfest namens „Brot und Spiele“ stattgefunden habe. „Dabei traten Leute als Römer verkleidet auf. Soweit ich mich erinnere, haben die Römer Sklaven gehalten und massenhaft Gefangene getötet. Na, wenn das nicht Verbotspotential hat!“ Und ein Gast kommentiert. „Werden dann auch Ritterrüstungen verboten bzw. darf man auch nicht mehr als Indianer rumlaufen?“ Ein Kommentator hält die gesamte Diskussion für überflüssig: „Haben wir schon Sommerloch? Gibt es nicht Wichtigeres, oder was soll mit dieser Debatte überspielt werden? Aber Demokratie sei Dank haben wir im September die Wahl.“ Und Schwarzer Ritter schreibt: „Die Junge Union ist ein eindeutiger Fall für „Neues aus der Anstalt“ im ZDF.“