Nach Mordrohungen Nach Mordrohungen an Olivier Ndjimbi-Tshiende: Schwarzer Pfarrer in Zorneding tritt zurück

Man soll von Ortsnamen nicht auf die Stimmung in der Gemeinde schließen, aber in Zorneding steckt der Zorn schon drin. Etwa 9000 Menschen leben dort, rund 30 Autominuten von München entfernt.
Eine der Sehenswürdigkeiten des Ortes ist die Pfarrkirche St. Martin, weiß Wikipedia. Doch was sich da in den letzten Monaten abgespielt hat, war alles andere als sehenswert und höchstens ein Anschauungsunterricht, wie widerwärtiger Rassismus funktioniert. Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende, ein gebürtiger Kongolese, hat seit November fünf Morddrohungen erhalten. Am Sonntag zog er den Schlussstrich. Der 66-Jährige gibt auf. Er verlässt die Gemeinde nach Ostern.
Lob für Angela Merkel kommt nicht gut an
Doch was ist eigentlich passiert? In der Oktober-Ausgabe des CSU-Magazins „Zorneding Report“ hatte sich die Ortsverbandsvorsitzende Sylvia Boher negativ zu Flüchtlingen und zur Hilfsbereitschaft der Bevölkerung den Flüchtlingen gegenüber geäußert. Bedürftigen in Deutschland gehe es durch die Flüchtlinge schlechter, so eine der Kernaussagen. Auch gegen den Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel hetzte sie.
Das ließ Pfarrer Ndjimbi-Tshiende nicht unkommentiert. In einem Offenen Brief lobte er Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ nannte er Bohers Äußerungen „zu ideologisch und demagogisch“ und sagte, er fühle Mitleid mit dieser Frau, „die Politik macht ohne Gesetze, Toleranz und Wahrheit im 21. Jahrhundert.“ Bohers Stellvertreter Johann Haindl bezeichnete den schwarzen Pfarrer hinterher als „Neger“, entschuldigte sich aber – wohl auch wegen des öffentlichen Drucks. Der führte dazu, dass Boher und Haindl aus dem Ortsvorstand zurücktraten.
„Ab mit dir nach Auschwitz“
Damit hätte die Geschichte eigentlich beendet sein können. Doch für Olivier Ndjimi-Tshiende begann eine Zeit des rassistischen Terrors. Er erhielt nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ Postkarten, auf denen „Ab mit dir nach Auschwitz“ stand. Ihm sei – unter anderem sogar nach Gottesdiensten – offen mit Gewalt und Mord gedroht worden. Der Pfarrer erstattete drei Anzeigen wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung. Die Kriminalpolizei Erding ermittelt.
Ndjimi-Tshiende, der seit 2005 in Deutschland lebt und seit 2011 deutscher Staatsbürger ist, hat beim Erzbischöflichen Ordinariat in München und Freising seinen Rücktritt eingereicht, der vergangene Woche angenommen wurde. Er wird bis zu seinem Ausscheiden aus dem Kirchendienst in gut drei Jahren in einer anderen Stelle in der Diözese eingesetzt. Seiner Pfarrgemeinde teilte er seine Entscheidung am Sonntag mit. Seit September 2012 stand er ihr vor.
Nicht der erste Vorfall in Zorneding
Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, die sich auf Kirchenkreise beruft, soll es sich bei den Zornedinger Vorgängen um die schlimmsten und deutlichsten Repressalien gegen Kirchenmitarbeiter handeln, die in der Flüchtlingsdebatte klar Stellung beziehen.
Es ist wohl nicht das erste Mal, dass es in Zorneding zu einer solchen Situation kommt. So war im November 2014 die Leiterin der Grundschule in Briefen und E-Mails bedroht worden. Sie hatte minderjährigen Flüchtlingen ein leer stehendes Zimmer zur Verfügung gestellt.