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Nach Lipobay-Affäre Nach Lipobay-Affäre: Ministerin plant Arzneimittelpass für Patienten

23.08.2001, 12:55
Manfred Richter-Reichhelm (l), Jörg Dietrich
Manfred Richter-Reichhelm (l), Jörg Dietrich dpa

Berlin/dpa. - In den USA wurden weitere Sammelklagen gegen Bayer im Zusammenhangmit dem vor zwei Wochen zurückgezogenen Cholesterin-Senkereingereicht, der weltweit für mehrere Todesfälle verantwortlichgemacht wird. US-Verbraucherschützer haben laut einem Bericht der«Welt» nun auch Lipidsenker anderer Hersteller ins Visier genommen.Der Organisation «Public Citizen» zufolge soll es durch Lipobay-Konkurrenzprodukte in den USA 52 Todesfälle gegeben haben. Das US-Bundesgesundheitsamt FDA kündigte an, sich des Themas anzunehmen.

Laut Bayer AG werde das Lipobay-Debakel das operative Ergebnis indiesem Jahr um bis zu 800 Millionen Euro oder gut 1,5 Milliarden Markschmälern. Die Entscheidung, das Medikament nun auch in Japanzurückzuziehen, sei im Interesse der Patienten-Sicherheit erfolgt,unterstrich Bayer in einer Mitteilung. Dort soll demnächst derWirkstoff Gemfibrozil zugelassen werden, der anderswo schon längstauf dem Markt ist und bei gleichzeitiger Einnahme mit Lipobay - dasin den USA Baycol heißt - zu Muskelschwäche führen kann.

Auf der von Schmidt geplanten Chipkarte sollen möglichst alleMedikamente erfasst werden, die ein Patient einnimmt, teilte dieMinisterin mit. Der elektronische Arzneimittelpass soll Ärzten undApothekern einen lückenlosen Überblick über die Medikamenten-Therapieeines Patienten bieten und so das Risiko unerwünschterWechselwirkungen mit anderen Mitteln mindern.

Die Arznei-Chipkarte war bisher von Politikern aller Parteien undden ärztlichen Spitzenorganisationen vehement abgelehnt worden. Sieführe zum «gläsernen Patienten» hieß es in der Vergangenheit.Probleme mit dem Datenschutz sahen Schmidt und die teilnehmendenStandesvertreter nun nicht mehr. Zusätzlich kündigte MinisterinSchmidt den Ausbau eines Informationsnetzes an. Dieses sollNebenwirkungen von Medikamenten systematischer erfassen und umgehendalle beteiligten Stellen informieren. Der Sozialverband VdK nannte die Pläne einen «Tropfen auf denheißen Stein». Der Pass sei «ein Schritt in die richtige Richtung,reicht aber bei weitem nicht aus, um die medizinische Versorgung fürdie Patienten qualitativ zu verbessern», erklärte VdK-PräsidentWalter Hirrlinger.

Seit langem ist bekannt, dass Cholesterin-Senker aus der Gruppeder so genannten Statine bei Überdosierung oder in Verbindung mitanderen Statinen in Einzelfällen zu einer Muskelzersetzung führenkönnen, der so genannten Rhabdomyolyse. Insbesondere vor dergleichzeitigen Einnahme von Lipobay mit Gemfibrozil wird gewarnt.

Zu den nun von den US-Verbraucherschützern ins Visier genommenenHerstellern zählen unter anderem auch die US-Firma Merck und Co sowiePfizer und Bristol. Der Geschäftsführer der deutschen Merck-Niederlassung MSD in München, Ottfried Zierenberg, sagte auf Anfrage,sein Unternehmen habe zwei Lipobay-Konkurrenzprodukte auf demdeutschen Markt: Mevinakor (Lovastatin) und Zocor (Simvastatin).Studien hätten gezeigt, dass die Sterberate bei Infarktpatienten nachfünf Jahren Behandlung mit diesen Mitteln um 30 Prozent niedrigerliege. Auf die Risiken - Muskelschmerzen oder auch Muskelzersetzung -werde im Beipackzettel hingewiesen.