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MZ-Interview MZ-Interview: Botschafter lässt Israel-Kritik zu

10.01.2013, 18:25

Halle (Saale)/MZ. - Unter den Diplomaten, die Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff am Mittwochabend zum Neujahrsempfang der Landesregierung in Halle begrüßte, war auch der israelische Botschafter. Mit Yakov Hadas-Handelsman sprachen die MZ-Redakteure Hans-Jürgen Greye, Rainer Wozny und Alexander Schierholz.

Herr Botschafter, Sie sind seit März vergangenen Jahres im Amt. Wie blicken Ihre jungen Landsleute auf das Land, in dem Sie seit fast einem Jahr Dienst tun?

Hadas-Handelsman: Deutschland hat eine hohe Bedeutung bei jungen Israelis, vor allem Berlin. Viele wollen dorthin, nachdem sie New York, London und Paris schon gesehen haben. Berlin ist ein wichtiges touristisches Ziel und eine der spannendsten Hauptstädte Europas. Die Flugzeuge dorthin sind voll. Viele junge Israelis gehen auch zum Arbeiten oder Studieren nach Berlin, sie gründen eine eigene Existenz. Auch die Beziehungen in Wissenschaft und Forschung zwischen Israel und Deutschland sind sehr eng. Natürlich gibt es auch Israelis, die nicht nach Deutschland fahren wollen. Aber diese Gruppe wird kleiner.

In Deutschland wird derzeit viel über die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Verleger Jakob Augstein geredet. Wie wird diese Diskussion in Israel gesehen?

Hadas-Handelsman: Ich kenne kaum ein Medium in Israel, das über die Augstein-Debatte in Deutschland überhaupt berichtet hat. Nur weil jemand Israel kritisiert, ist er nicht automatisch ein Antisemit. Kritik an Israel ist legitim, aber sie muss konkret und darf nicht obsessiv sein. Wissen Sie, von wem Israel tagtäglich am meisten kritisiert wird? Von den Israelis!

Aber Günter Grass ist nach seinem umstrittenen Gedicht "Was gesagt werden muss" in Israel nicht erwünscht.

Hadas-Handelsman: Ich weiß nicht, ob Günter Grass Antisemit ist. Aber wenn ich in seiner Lage wäre und mit der Mitgliedschaft in der Waffen-SS einen wichtigen Punkt meiner Biografie verschwiegen hätte, dann hätte ich einfach den Mund gehalten. Das wäre besser gewesen. Es ist nun einmal so, dass das jüdische und das deutsche Schicksal auf immer miteinander verbunden sind. Sie sind die Täter gewesen, wir die Opfer. Daraus erwächst für uns alle eine Verantwortung.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Kritik vieler Deutscher am Bau israelischer Siedlungen in den Palästinensergebieten?

Hadas-Handelsman: Siedlungen sind kein Hindernis für den Frieden. Wenn wir uns mit den Palästinensern einig werden, kann man sie auch wieder abreißen. Das haben wir schon getan, zum Beispiel als wir uns 2005 aus dem Gaza-Streifen zurückgezogen haben. Das wird gerne vergessen, genau wie das zehnmonatige Siedlungsmoratorium, das ab September 2009 galt.

Hoffen Sie für das neue Jahr auf eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche?

Hadas-Handelsman: Selbstverständlich hoffen wir darauf. Aber Mahmud Abbas als Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde ist ein schwacher Gesprächspartner, er hat bei seinen eigenen Leuten wenig Rückhalt. Das liegt zum Teil auch an ihm selber. Wir hoffen, dass wir mit ihm verhandeln können. Aber er hat schon viele Möglichkeiten verpasst. Das Siedlungsmoratorium hätte er als seinen Erfolg verkaufen können. Das hat er nicht getan. Stattdessen hat er sich beklagt, dass es zu spät kommt und nicht ausreicht. Das Gleiche gilt für unseren Rückzug aus dem Gaza-Streifen.Viele Israelis sind mittlerweile enttäuscht. Ihrer Meinung nach hat Israel schon viele Zugeständnisse gemacht. Bis dahin, sich in die Grenzen von 1967 zurückzuziehen. Das ist das Maximum dessen, was wir anbieten können. Statt Frieden haben wir aber die zweite Intifada bekommen.

Was ist gefährlicher für Israel: der Konflikt mit den Palästinensern oder das iranische Atomprogramm?

Hadas-Handelsman: Eindeutig letzteres. Der Iran entwickelt Atomwaffen und verfolgt damit das Ziel, Israel auszulöschen. Das ist eine reale Bedrohung, und zwar für die ganze Welt. Sie brauchen nur die Berichte der Internationalen Atomenergie-Behörde zu lesen, um sich das klarzumachen. Eine iranische Atombombe würde die Weltpolitik verändern.

Wird Israel das mit einem Präventivschlag verhindern?

Hadas-Handelsman: Alle Optionen liegen auf dem Tisch. Wir hoffen aber, dass die Sanktionen weiter funktionieren. Sie beeinflussen den Iran schon jetzt. Wenn wir wollen, dass sie erfolgreich bleiben, müssen wir den Druck immer weiter erhöhen. Wenn uns das gelingt, dann können wir den Iran noch stoppen.

Auch im Nachbarland Syrien ist die derzeitige Lage sehr gefährlich. Welche Gefahren drohen Israel von dort?

Hadas-Handelsman: Wir fühlen uns da wie Zuschauer. Wir können leider überhaupt nichts tun. Wir machen uns große Sorgen. Sollte Assad einen Krieg mit Israel anzetteln, wäre er plötzlich wieder der Held der arabischen Welt. Er soll schon einmal damit gedroht haben, dass er den gesamten Nahen Osten binnen 24 Stunden in einen Kriegsschauplatz verwandeln kann. Das wäre ein schreckliches Szenario. Auf der anderen Seite stehen mehr als hundert Rebellengruppen. Sie eint nur das Ziel, Assad zu stürzen. Aber was passiert dann? Das ist völlig unklar. Man darf nicht vergessen, dass Syrien kein homogener Staat ist. Es gibt verschiedene religiöse Gruppen, Christen, Alawiten, Drusen, Sunniten. Ich schließe nicht aus, dass es einmal noch blutiger wird, wenn Assad nicht mehr an der Macht ist. Nur die Zukunft wird zeigen, ob Syrien eine politische Einheit bleiben wird.