MZ im Gespräch mit Peter Scholl-Latour MZ im Gespräch mit Peter Scholl-Latour: Risiko für die Bundeswehr

Berlin/MZ. - Der Publizist Peter Scholl-Latour befasst sich seit langem mit der islamischen Welt. Unser Korrespondent Markus Decker sprach mit ihm über Afghanistan, den Irak und die Rolle Deutschlands.
Deutschland erwägt, sein Engagement in Afghanistan auszuweiten. Ist das richtig?
Scholl-Latour: Das ist falsch. Mit ein paar Hundert Soldaten in Provinzstädten lässt sich das Land nicht befrieden. Die Russen hatten Hunderttausende und wurden mit Afghanistan nicht fertig.
Z-TITEL: "Wir sollten endlich mit dem Propaganda-Geplärre aufhören."
Die Russen wollten unterwerfen.
Scholl-Latour: Aus der Sicht vieler Afghanen wollen die Amerikaner das Gleiche. Präsident Hamid Karsai lebt nur noch, weil er von US-Leibwächtern geschützt wird. Die deutschen Militärs sind nicht der Meinung, dass das mit der Erweiterung eine gute Idee ist. Wir sollten endlich mit dem Propaganda-Geplärre aufhören. Das zielt allein darauf, dass der eine oder andere Politiker mal wieder in Washington gestreichelt wird. Dafür setzt man das Leben deutscher Soldaten aufs Spiel.
Ohne die Friedenstruppe hat man rasch alte Zustände.
Scholl-Latour: Aber ist es die Aufgabe Deutschlands und Europas, dass Afghanistan eine Form der Demokratie aufgestülpt bekommt, für die es nicht geeignet ist? Das ist doch der Wahnsinn der Deutschen, dass sie meinen, eine globale Strategie fahren zu können. Abgesehen davon ist die jetzt ausersehene Stadt Kunduz nicht ungefährlich. Das Risiko ist größer als in Kabul. Wenn man dort raus muss, kann man allenfalls versuchen, sich nach Tadschikistan durchzuschlagen, wo die Russen stehen, und hoffen, dass sie unsere Soldaten mit Hubschraubern abtransportieren.
Aber so ein US-Kritiker wie Sie...
Scholl-Latour: Ich bin kein US-Kritiker, ich bin ein Bush-Kritiker.
...müsste doch gerade auf internationale Kooperation setzen?
Scholl-Latour: Warum setzen denn die USA auf Kooperation? Weil sie im Irak nicht mehr zurecht kommen.
Was müsste dort geschehen?
Scholl-Latour: Die USA müssten über ihren Schatten springen und mit Hilfe der Uno dafür sorgen, dass faire Wahlen abgehalten werden. Das Resultat wäre eine gemäßigt schiitische Regierung. Die wollen die Amerikaner nicht.
Man kann also nur zusehen?
Scholl-Latour: Die größere Gefahr ist, dass wir uns mit unseren Truppen verzetteln. Die Amerikaner haben den Zustand der imperialen Überdehnung bereits erreicht. Wir in Europa sollten erst einmal den Balkan in Ordnung bringen. Wir halten dort widernatürliche Protektorate aufrecht.
Die Protektorate folgten einem Bürgerkrieg.
Scholl-Latour: Ja gut. Aber der hat vor zehn Jahren begonnen. Da wird man doch die Entscheidung allmählich der Bevölkerung überlassen können. Und noch einmal: Die deutsche Regierung ist über die Risiken in Afghanistan und im Irak voll informiert. Wenn sie nicht entsprechend handelt, tut sie es wider besseres Wissen und gefährdet damit deutsche Soldaten.

