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Misshandlungen im Irak Misshandlungen im Irak: «Täter bekommen häufig einen Heldenstatus»

Von Christian Schafmeister 12.05.2004, 18:57
Die US-Obergefreite Lynndie England von der 372. Militärpolizei-Kompanie posiert mit einer Zigarette im Mundwinkel vor nackten irakischen Gefangenen in der Haftanstalt Abu Ghoreib in Bagdad. (Foto: Washington Post)
Die US-Obergefreite Lynndie England von der 372. Militärpolizei-Kompanie posiert mit einer Zigarette im Mundwinkel vor nackten irakischen Gefangenen in der Haftanstalt Abu Ghoreib in Bagdad. (Foto: Washington Post) DSK/EPA

Halle/MZ. - Die tägliche Konfrontation mit Gewalt und fehlende Möglichkeiten, die persönlich erlebten Kriegshandlungen zu verarbeiten: Zwei Faktoren, die aus Sicht des DresdnerAggressions-Forschers Falk-Rüdiger Finze auch Folterungen wie jetzt im Irak zur Folge haben können. Durch die monatelangen Einsätze und die eigene tägliche Bedrohung seien vielenSoldaten "Ruhezyklen, die jeder für eine vernünftige Verarbeitung braucht, oft komplett genommen". Als Folge komme es zu einer "inneren Explosion und einer unkontrollierten Bewältigung der Ereignisse".

Im konkreten Fall, etwa nach dem Tod einesKameraden, wird dann der Gegner zur Projektionsflächefür "Rache- und Hassgefühle". Die Täter wiederumkönnen aus Sicht des Psychologen sogar "miteiner Aufwertung ihres Status’ rechen". Rückhaltin der Einheit und Aussicht auf Straffreiheitwürden die "Versuchung" zusätzlich steigern.

Eine Einschätzung, die auch Angelika Birckeausdrücklich unterstützt. "Die Täter bekommenhäufig einen Heldenstatus", erläutert diePsychologin vom Berliner Behandlungszentrumfür Folteropfer. Darüber hinaus wirke in sehrvielen Fällen ein "Korpsgeist", nachdem dieeigene Gruppe stets auf der "guten Seite steht".Dies wiederum, so Angelika Bircke weiter,führe auch zur "Legitimierung von Gewalt fürden vermeintlich guten Zweck". Die zunehmendeDistanzierung von den Opfern diene dabei alsSchutzmechanismus.

Dass durch Folterung gezielt Informationenbeschafft werden sollen, hält Angelika Birckejedoch für einen "Mythos". "Vorrangiger Zweckist die Außenwirkung, die Terrorisierung derGesellschaft", betont sie. Für Finze hingegenspielt das Erpressen von Informationen einezentrale Rolle. "Manchmal handelt es sichum einen sportlichen Reiz. Der Täter willmit immer mehr Brutalität auch immer mehrInformationen bekommen."

Auslöser für Folterungen können laut Finzeaber auch spezielle Situationen sein. "Geradein einem fremden Kultur-Kreis wie etwa imIrak genügt oft bereits die Geste oder derBlick eines Gefangenen, der falsch interpretiertwird."