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Michael Gartenschläger Michael Gartenschläger: Frühere Stasi-Offiziere nennen Tötung «Notwehr»

04.03.2003, 13:02
Die ehemaligen Stasi-Offiziere Helmut Meckel (l) und Wolfgang Singer (r) stehen am Dienstag (04.03.2003) zusammen mit ihren Anwälten im Gerichtsssaal des Kriminalgerichts Moabit in Berlin und warten auf den Prozessbeginn. Meckel und Singer müssen sich vor dem Berliner Landgericht zum Tod des DDR-Regimegegners Michael Gartenschläger verantworten. (Foto: dpa)
Die ehemaligen Stasi-Offiziere Helmut Meckel (l) und Wolfgang Singer (r) stehen am Dienstag (04.03.2003) zusammen mit ihren Anwälten im Gerichtsssaal des Kriminalgerichts Moabit in Berlin und warten auf den Prozessbeginn. Meckel und Singer müssen sich vor dem Berliner Landgericht zum Tod des DDR-Regimegegners Michael Gartenschläger verantworten. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Fast 27 Jahre nach dem spektakulären Tod desDDR-Regimegegners Michael Gartenschläger haben am Dienstag zweifrühere Stasi-Offiziere vor dem Berliner Landgericht jeglicheMitschuld von sich gewiesen. «Der Vorwurf des Totschlags trifft nicht zu», sagte ein heute 70 Jahre Ex-Stasi-Oberst. Gartenschlägers Tod ander innerdeutschen Grenze sei nicht geplant gewesen. Das habe der DDRgeschadet. Die Grenzposten hätten in Notwehr geschossen.

Grenzsoldaten hatten Gartenschläger, der zu diesem Zeitpunktbereits im Westen lebte, in der Nacht zum 1. Mai 1976 an Grenze vonSchleswig-Holstein und Mecklenburg erschossen. Er wollte eineSelbstschussanlage demontieren. Dies war ihm vorher bereits zwei Malgelungen. Damit wollte er das DDR-Regime bloßstellen. DieBundesrepublik hatte Gartenschläger nach fast zehnjähriger DDR-Haftfreigekauft.

Oberstaatsanwalt Bernhard Jahntz brachte eine der vonGartenschläger abgebauten Splitterminen vom Typ SM 70 mit in denGerichtssaal. Nach dem Abbau der ersten SM 70 habe der inzwischengestorbene Stasi-Chef Erich Mielke die Festnahme Gartenschlägersverlangt, so die Anklage. Die Angeklagten hätten an den Planmitgewirkt, Gartenschläger festnehmen oder «vernichten» zu lassen,und «vernichten bedeutete töten», sagte Jahntz. Als Gartenschlägerbereits von Kugeln getroffen am Boden lag, sei weitergeschossenworden.

Der 61 Jahre alte Mitangeklagte - früher Oberstleutnant der Stasi,jetzt Krankenpfleger - sagte: «Ich bin nicht der geistige Vater desPlans.» Die Entscheidung sei auf zentraler Ebene gefallen, betontenbeide Beschuldigte. Ziel sei die Festnahme gewesen, um Gartenschlägerals Informationsquelle zu nutzen. Eine vorsätzliche Tötung wäre vonScharfschützen mit Schalldämpfern leichter zu erreichen gewesen.

Drei Angehörige eines damaligen Stasi-Sondertrupps sind imFrühjahr 2000 in Schwerin freigesprochen worden, weil sich dieVorgänge in jener Nacht nicht mehr aufklären ließen. Gartenschlägerwar mit einer Pistole bewaffnet, als er sich vom Westen aus auf DDR-Gebiet begab. Die Angeklagten Offiziere erklärten jetzt, «er wurdegetötet, weil er zuerst schoss».

Mit 17 Jahren, fünf Tage nach dem Bau der Berliner Mauer, wurdeGartenschläger wegen seiner Proteste zu lebenslanger Haft verurteiltund 1971 abgeschoben. Er lebte in Hamburg und betätigte sich auch alsFluchthelfer. Von seinem Tod bei der letzten Aktion gegen die DDRerfuhr seine Schwester erst zwei Jahre später. Ihr Anwalt erklärteauf dem Gerichtsflur, sie habe es bis heute nicht verwunden. DerProzess ist bis zum 10. April terminiert.