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Merkel ruft SPD zur Mäßigung auf

12.01.2008, 16:30

Berlin/dpa. - Nach den harschen Tönen aus der SPD im Streit über das Jugendstrafrecht hat die Union den Koalitionspartner vor einer weiteren Belastung der Regierungsarbeit gewarnt.

«Ich fordere den SPD-Vorsitzenden auf, Vernunft einkehren zu lassen», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag in Braunschweig beim Wahlkampfauftakt der CDU in Niedersachsen an die Adresse von SPD-Chef Kurt Beck. In einer Verbalattacke hatte SPD-Fraktionschef Peter Struck dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) unterstellt, sich über die aktuellen Fälle von Jugendgewalt im Wahlkampf gefreut zu haben. Beck nahm Struck am Samstag in Schutz. Er warf Koch vor, mit der Debatte über Jugendgewalt lediglich von eigenen Versäumnissen ablenken zu wollen.

CDU-Chefin Merkel nannte die Äußerung Strucks «absurd». Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte bei einem CDU- Neujahrsempfang im hessischen Oberursel nach Mitteilung seines Ministeriums: «Die Äußerung von Struck fällt auf ihn selbst zurück. Sie ist des Amtes eines Fraktionsvorsitzenden der SPD- Bundestagsfraktion unwürdig.»

Merkel sprach sich in Braunschweig erneut für Verschärfungen beim Jugendstrafrecht aus. «Gewalt ist immer absolut zu verurteilen», sagte sie. Die Gesellschaft müsse hier Grenzen setzen, auf Gewalt jeder Art müsse eine Bestrafung folgen. «Die, die versuchen, da wegzuschauen, werden keinen Erfolg haben.» Die CDU-Vorsitzende machte sich außerdem für die Interessen der Opfer von Kriminalität stark: «Ich werde die Stimme der Opfer nicht vergessen.»

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte der Zeitschrift «Super Illu», die SPD habe «einen Ton angeschlagen, der selbst mit laufenden Landtagswahlkämpfen nicht zu rechtfertigen ist». Der «schlechte Stil gegenüber Roland Koch» sei nicht akzeptabel. Struck hatte Koch am Freitag unterstellt, über den brutalen Angriff von jugendlichen Ausländern auf einen Rentner in München eigentlich ganz froh gewesen zu sein, um das Thema für den Wahlkampf zu nutzen. Eine Aufforderung der Union, sich zu entschuldigen, wies er später brüsk mit den Worten «Die kann mich mal» zurück.

Beck sagte in Osnabrück: «Wir haben keinen Grund zurückzurudern.» Der SPD-Vorsitzende warf Koch zudem in einer Videobotschaft vor, er wolle mit der Debatte über Jugendgewalt lediglich von eigenen Versäumnissen etwa in der Schulpolitik und der Inneren Sicherheit ablenken. Der Sprecher der hessischen Landesregierung, Dirk Metz, wies Becks Äußerungen als «politische Frechheiten, die den Fakten widersprechen» zurück.

Koch bestand in der «Bild am Sonntag» auf einer Entschuldigung Strucks. Zugleich wies er die Kritik zurück, sein Wahlkampf sei ausländerfeindlich. «Ich empfinde es als meine Aufgabe, für die Opfer krimineller Gewalt zu sprechen und für viele, die sich bedrängt und bedroht fühlen», sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende.

Die bisher schärfste Kritik an Koch übte der Spitzenkandidat der Linken in Hessen, Willi van Ooyen. Er nannte den Landeschef auf einem Neujahrsempfang seiner Partei einen «schießwütigen Gewalttäter» sowie «gesellschaftlichen Spalter und Brandstifter». Die hessische CDU- Fraktion forderte daraufhin den Rücktritt van Ooyens.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der wie Koch am 27. Januar zur Landtagswahl antritt, nahm seinen hessischen Parteifreund in Schutz. «Bei denen, die Klarheit und Schärfe kritisieren, ist viel Heuchelei im Spiel», sagte er der «Welt am Sonntag».

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) kündigte in der Berliner «B.Z. am Sonntag» an, die Union werde nächste Woche mit der SPD auf Fraktionsebene über ihre Vorschläge zum Thema Jugendgewalt reden. «Wir fordern konkret Warnarrest, Erziehungscamps und die Anwendung des Erwachsenen-Strafrechts im Regelfall für Menschen über 18 Jahre.» Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz zeigte sich im Magazin «Focus» offen für Gespräche mit der Union zur Jugendgewalt - nur müssten die «nach dem Pulverdampf des Wahlkampfs» stattfinden.