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Lockerbie-Prozess Lockerbie-Prozess: Attentäter soll mindestens 20 Jahre in Haft

31.01.2001, 15:12

Kamp Zeist/dpa. - Der Gerichtsvorsitzende, Lord Sutherland, hatte zuvor bekräftigt, dass der Schuldspruch wegen Mordes nach schottischem Recht lebenslange Haft erforderlich mache. Die Empfehlung einer Mindesthaft von 20 Jahren richtet sich an den zuständigen Minister der britischen Regierung.

Bei dem Anschlag auf das Linienflugzeug der US-Gesellschaft PanAm am 21. Dezember 1988 waren 270 Menschen ums Leben gekommen. Die Anklage hatte den beiden früheren Mitarbeitern der libyschen Fluggesellschaft Libyan Arab Airlines vorgeworfen, einen Koffer mit einer Bombe an Bord der Maschine geschmuggelt zu haben. Bei der Explosion des Sprengkörpers über Lockerbie starben alle 259 Flugzeuginsassen und elf Einwohner der Stadt.

Nach schottischem Recht kann der Verurteilte Berufung einlegen. Darüber muss ein aus fünf Richtern bestehendes Gericht in Kamp Zeist entscheiden. Gegen den Freispruch kann die Anklage keine Berufung einlegen.

Die mit traditionellen weißen Gewändern bekleideten Angeklagten reagierten kaum auf den Spruch. Fuheima hielt kurz die Hände vors Gesicht. Er sprach noch einige Worte mit Mekrahi, ehe er die Anklagebank verließ. Der Verurteilte ließ durch seinen Verteidiger erklären, dass er weiter seine Unschuld erkläre. Deshalb mache er keine mildernden Umstände geltend.

Im Zuschauerraum, wo mehrere Dutzend Angehörige der Attentatsopfer saßen, war erst ein kurzer Aufschrei des Erstaunens zu hören. Dann brachen einige in Tränen aus und umarmten sich. Jim Swire, Sprecher britischer Familienangehöriger, der bei dem Anschlag eine Tochter verloren hatte, erlitt einen Schwächeanfall. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, erholte sich aber bald wieder, teilte eine Sprecherin des Gerichts mit.

In Kommentaren der Angehörigen herrschte Genugtuung über den Schuldspruch vor. «Das ändert zwar nichts. Mein Sohn ist tot», sagte Peter Loewenstein aus den USA. Er hoffe aber, dass Mekrahi für immer in Haft bleibe und «das Tageslicht nicht mehr wiedersieht».

Aphrodite Tisaris aus den USA bewertete das Urteil als «eindeutiges Statement» gegen Staatsterrorismus. Ihr sei aber das Herz gebrochen, als Fuheima die Anklagebank verlassen durfte. Betty Thomas, die an Bord des zerstörten Flugzeugs eine schwangere Tochter und einen Enkel verloren hat, sah in den Angeklagten «nur Bauern in einem Schachspiel». Sie könne sich so lange nicht freuen, wie die wirklich Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft gezogen worden seien.

Das Verfahren in Kamp Zeist war nach jahrelangen internationalen Verhandlungen zu Stande gekommen. Der libysche Revolutionsführer Muammar el Gaddafi hatte seine seit November 1991 mit Haftbefehl gesuchten Landsleute erst ausgeliefert, als man sich auf die Niederlande als Prozessort geeinigt hatte. Am 5. April 1999 kamen beide in den Niederlanden an und waren anschließend im provisorischen Justizkomplex in Kamp Zeist inhaftiert.

Der Prozess dauerte 85 Verhandlungstage. Die Anklage rief 235 Zeugen auf. Ihre Aussagen umfassten mehr als 10 000 Seiten. Der Ankläger räumte in seinem Schlussplädoyer zwar ein, dass sich die Anklage ausschließlich auf Indizien stütze. Die Aussagen ließen jedoch kein anderes Urteil als einen Schuldspruch zu.

Nach Ansicht der Verteidigung war dagegen kein Punkt der Anklage eindeutig bewiesen. Die Rechtsanwälte hatten von Anfang an darauf verwiesen, dass statt der Angeklagten ebensogut palästinensische Terroristen die Tat hätten ausführen können.