Kultur Kultur: Erschreckende Szenen im Theater

Berlin/dpa. - VieleRegisseure griffen dabei auf klassische, oftsogar antike Stoffe zurück. Eine der meistgefeierten Inszenierungen der Saison war DimiterGotscheffs klare und klarsichtige Versionvon Aischylos' «Die Perser» am Deutschen TheaterBerlin. An Michael Thalheimers an der selbenBühne entstandener und ebenfalls gelobter«Orestie» von Aischylos entzündete sich danneine leidenschaftlich geführte Debatte um«Ekel-Theater». Thalheimer ließ in seinerrohen Regiearbeit literweise Blut fließenund vom Feuilleton bis zum Boulevard wurdegeklagt: Nacktheit, Blut, Schweiß, Spermaund Exkremente als Bühnenaccessoires seienbei vielen Regisseuren nur mehr ein leeresSymbol für den Schmerz und das Leid der Menschen.Echte Gefühle von echten Schauspielern dargestelltsehe man immer seltener, hieß es. JürgenGoschs blutige Shakespeare-Inszenierung «Macbeth»vom Düsseldorfer Schauspielhaus polarisiertesogar das an Provokationen gewöhnte Publikumdes Berliner Theatertreffens. Die feinfühligen,bewusst elegischen Arbeiten einer Andrea Breth,eines Christoph Marthaler, eines Luc Bondysind in der Tat selten geworden.
Wo der Wirklichkeit mit Schockeffekten nicht mehrbeizukommen ist, beginnt das dokumentarischeTheater - Andres Veiel brachte am TheaterBasel und am Berliner Maxim Gorki Theatermit «Der Kick» einen Mordfall mit rechtsextremistischemHintergrund auf die Bühne. Die Gruppe RiminiProtokoll zeigte am Nationaltheater MannheimSchillers «Wallenstein» mit Laiendarstellernund tagesaktuellen Bezügen. Beide Stücke kamenauch zu Theatertreffen-Ehren.
Frischen Wind gab es auch in Stuttgart: Gleich im erstenJahr von Hasko Webers Intendanz wurde dasStaatsschauspiel Stuttgart zum «Theater desJahres» gewählt. «Weber hat sich nicht andie Stuttgarter angebiedert und mit seinemProgramm nicht auf Nummer Sicher gesetzt»,urteilte die «Theater heute»-Jury. «Das Publikumdurfte sich ernst genommen und anspruchsvollherausgefordert fühlen.»
«Schauspielerin des Jahres» wurde Katharina Schüttler fürdie Titelrolle in Thomas Ostermeiers Ibsen-Inszenierung«Hedda Gabler» an der Berliner Schaubühne.«Schauspieler des Jahres» ist Felix Goeserals «Platonow» in Karin Henkels Tschechow-Inszenierungam Staatsschauspiel Stuttgart.
Webers Vorgänger Friedrich Schirmer hat es an seinem neuenTheater - dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg- ungleich schwerer. Mit Regisseuren wie PhilipTiedemann, Karin Henkel und Martin Ku¨ej kommtdas ehrwürdige Haus jetzt aber langsam inSchwung. Einen neuen Anlauf auf die Bühneunternahm in München nach Jahren der bayerischeTheateranarchist Franz Xaver Kroetz - undzeigte dem Publikum den Vogel, als es seinneues Stück «TV-Massaker» mit Buh-Rufen quittierte.
Schwierig ist weiter die Lage viele kleinererTheater, besonders in Ostdeutschland. DieStreiks im öffentlichen Dienst gingen auchan den Theatern nicht spurlos vorüber undließen zum Beispiel in Stuttgart einige Vorstellungenplatzen. In Zürich kam es zum ersten Streikan der Schweizer Bühne überhaupt, der nachvier Tagen mit einem Kompromiss beigelegtwurde. Der neue Intendant Matthias Hartmanngewann mit einer Mischung aus Klassikern undZeitgenössischem wieder mehr Publikum alszuletzt sein Vorgänger Marthaler.
In Thüringen wird seit Monaten gegen die geplanten Kürzungender Landesetats für Theater und Orchestervon 60 auf 50 Millionen Euro ab dem 1. Januar2009 protestiert. Die im Deutschen Bühnenvereinzusammengeschlossenen Intendanten riefen dieTheater- und Orchesterhäuser in Erfurt undWeimar jetzt auf, stärker zusammen zu arbeitenund so die mögliche Schließung dreier kleinererHäuser in Nordhausen, Rudolstadt und Eisenachzu verhindern. Deutschlandweit stimme dieSituation der Theater inzwischen aber wiederzuversichtlicher, so der Bühnenverein. Geradein Essen und Nordrhein- Westfalen seien dieAussichten mit der Kulturhauptstadt 2010 sehrpositiv.

