Kommentar zu Jamaika Kommentar zum Abbruch der Jamaika-Sondierungsgespräche: Die FDP stürzt das Land in eine Krise

Kein Zweifel: Dieser Tag geht in die deutsche Nachkriegsgeschichte ein. Vier Wochen lang sprechen vier sehr gegensätzliche Parteien über ein neuartiges Bündnis namens „Jamaika“.
Und dann tut einer der etwaigen Partner das, was er offenbar schon seit Tagen, wenn nicht Wochen vorhatte: Er zieht kaltschnäuzig die Reißleine. Daraus folgt ein immenser Schaden für die Demokratie. Verantwortungslosigkeit ist die Ursache.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner spekuliert offenkundig auf Neuwahlen und dabei auf zusätzliche Stimmen im eher populistischen Segment. Ob die Rechnung aufgeht, ist ungewiss. Denn was die Liberalen rechts gewinnen, dürften sie in der Mitte verlieren. Und dass es jenseits von Jamaika oder der Großen Koalition nach Neuwahlen eine andere Machtoption gäbe, ist ebenfalls nicht gesichert.
Ohnehin stellt sich die Frage, ob die Freie Demokratische Partei den Kurs ihres Chefs so ohne weiteres mitträgt. Ganz ohne Widerspruch hoffentlich nicht. Lindners Kurs grenzt ein bisschen an Größenwahn.
Was wird aus der Union und ihren Spitzenleuten?
Eine weitere Frage lautet, was jetzt eigentlich aus der Union und ihren Spitzenleuten wird. Bleibt Angela Merkel im Amt? Oder geht sie? Kann Horst Seehofer den Angriff Markus Söders abwehren? Oder hat jetzt sein Stündchen geschlagen? Was schließlich ist mit den Sozialdemokraten? Sie werden nun von vielen in die Verantwortung – sprich: in eine weitere große Koalition – gerufen werden. Und sie werden sich dem nicht mit einem bloßen Achselzucken verweigern können.
Allein die Grünen können den nächsten Wochen relativ gelassen entgegen sehen. Sie haben sich im Rahmen der Möglichkeiten prinzipienfest und zugleich kompromissbreit gezeigt. Sie haben von Beginn an so klug agiert, dass niemand ihnen den Schwarzen Peter zuschieben kann. Überdies sind sie über all die vergangenen Wochen geschlossen geblieben. All das stärkt die Grünen wenn nicht nach außen, so doch mindestens nach innen.
Zeit der Unklarheit und der Lähmung
Dem Land – so viel ist unzweifelhaft – stehen Wochen und Monate der Unklarheit und der Lähmung bevor. Es ist in der Nacht zu Montag auf mehreren Ebenen ein Machtvakuum entstanden. Das Vakuum muss gefüllt werden. Und das kann dauern. Sollten die Wähler abermals zu den Urnen gerufen werden, dann sollten sie sich daran erinnern, wer diese Krise, die sich zu einer Staatskrise auswachsen kann, verursacht hat. Es ist eine Partei, die einst nicht nur liberal, sondern auch verantwortungsbewusst war.
Die Erklärung zum Abbruch der Jamaika-Sondierungsgespräche von FDP-Chef Christian Lindner im Wortlaut finden Sie hier.