Reaktionen auf Abbruch der Jamaika-Sondierungen Jamaika-Sondierungen: Union und Grüne kritisieren FDP für Abbruch der Gespräche

Berlin - Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner hat den Abbruch der Jamaika-Sondierungen durch die FDP kritisiert. Sie bescheinigte den Liberalen am Sonntagabend via Twitter „gut vorbereitete Spontanität“. „Anständig wär es gewesen, wenn alle Parteivorsitzenden gemeinsam den Abbruch hätten verkünden können“, schrieb sie.
Die Grünen bedauern nach dem Abbruch der Jamaika-Gespräche durch die FDP das Aus für bereits ausgehandelte Kompromisse beim Klimaschutz. Das sei ein „harter Schlag“, weil ein Kohleausstieg überfällig sei, sagte die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock aus der Grünen-Sondierungsgruppe. Gut sei aber, dass das ganze Land darüber diskutiert habe, wie man sozialverträglich und mit Blick auf die Versorgungssicherheit aus der Stromgewinnung aus Kohle aussteigen könne. Die Grünen würden alles dafür tun, damit das Thema auf der Tagesordnung bleibe.
Trittin spricht von „Politikverweigerung“ der SPD
Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sieht nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen eine „schwierige“ Lage. „Das ist klar, dass wir in einer Situation sind, in der das Land zum ersten Mal mit einer geschäftsführenden Regierung lange Zeit wird leben müssen“, sagte Trittin am frühen Montagmorgen. „Es sei denn, die SPD kommt aus der Politikverweigerung raus.“ Gleichzeitig stelle sich die Frage, „wie man sich angesichts der Herausforderung durch die AfD aufstellt“, fügte er hinzu. „Insofern kommen jetzt keine leichten Zeiten auf einen zu.“
„Eine Verständigung wäre möglich gewesen“
Auch Grünen-Chef Cem Özdemir betonte: „Eine Verständigung wäre möglich gewesen.“ Unverhohlen schoben die Grünen der FDP den schwarzen Peter zu: Grünen-Verhandlungsführerin Katrin Göring-Eckardt sagte, die FDP habe sich nicht für die gemeinsame Verantwortung entschieden. Özdemir sagte, den Liberalen habe die Bereitschaft für ein Jamaika-Bündnis offensichtlich „nicht erst heute Abend“ gefehlt. Auch in Verhandlungskreisen hieß es, die FDP habe bereits in den vergangenen Tagen „nicht mehr richtig verhandelt“.
Ex-CSU-Chef Huber kritisiert Unionsparteien
CSU-Chef Horst Seehofer hat nach eigenen Worten mit einem positiven Sondierungsergebnis gerechnet. „Es ist schade, dass es am Ende nicht gelungen ist, dies zum Ende zu führen, was zum Greifen nahe war.“
Die Folgen des Scheiterns seien „schlecht für Deutschland, das damit nicht mehr Stabilitätsanker in Europa ist“, sagte frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber in München. Die Situation sei „schlecht für die Wirtschaft, weil Investoren verunsichert sind“. Und das Jamaika-Aus sei „schwierig für die Unionsparteien, weil ihr Regierungsanspruch zunächst gescheitert ist“, klagte Huber.
Huber kritisierte in dem Zusammenhang erneut die Wahlkampfführung der Unionsparteien nach dem Zerwürfnis wegen der Flüchtlingspolitik. „Die Einigkeit zwischen CDU und CSU hätte viel früher kommen müssen“, argumentierte er und kündigte an: „Darüber wird zu reden sein.“
Macron: „Kein Interesse, dass sich das verkrampft“
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich besorgt über das Scheitern der Jamaika-Sondierungsgespräche in Deutschland geäußert. „Es ist nicht in unserem Interesse, dass sich das verkrampft“, sagte er am Montag bei einem Treffen mit dem Generalsekretär der französischen Konservativen im Élyséepalast, wie eine Aufnahme des Senders BFMTV zeigte. Macron setzt sich für eine Reform der Europäischen Union ein und ist dazu auf Deutschland angewiesen.
Aus Kreisen des Élyséepalastes hieß es: „Wir wünschen für Deutschland und Europa, dass unser wichtigster Partner stabil und stark ist, um gemeinsam voranzuschreiten.“ Dies stärke nur die Notwendigkeit für Frankreich, Initiativen zu ergreifen und „an einem ehrgeizigen europäischen Projekt zu arbeiten, das wir mit unserem deutschen Partner umsetzen werden“. Macron habe sich bereits am Sonntagabend mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgetauscht.
SPD-Politiker Kahrs warnt vor Schnellschüssen
Der Chef des konservativen SPD-Flügels, Johannes Kahrs, warnt vor Schnellschüssen, wie die Partei auf die gescheiterten Jamaika-Sondierungen reagieren soll. „Alle Parteien müssen sich nun neu sortieren und überlegen, wie es weitergeht“, sagte Kahrs dem „Handelsblatt“. „In der Ruhe liegt die Kraft.“
Problem für die Wirtschaft
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat enttäuscht auf das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen reagiert. „Für die deutsche Wirtschaft ist das Scheitern der Sondierungsgespräche eine Enttäuschung“, erklärte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. „Denn damit wird eine Chance verpasst, ideologische Grenzen zu überwinden und sachgerechte Lösungen zu finden.“
„Es besteht die Gefahr, dass jetzt die Arbeiten an wichtigen Zukunftsthemen unseres Landes lange verzögert werden“, kritisierte Schweitzer. „Deutsche Unternehmen müssen sich nun auf eine möglicherweise längere Phase der Unsicherheit einstellen.“ Das sei für die Wirtschaft immer schwierig.
„Aber der DIHK vertraut darauf, dass alle verantwortungsbewussten Akteure am Ende doch noch zu vernünftigen Kompromissen fähig sind“, fügte Schweitzer hinzu.
Beamtenbund ist besorgt
Der Beamtenbund dbb hat sich „mehr als besorgt“ über das Scheitern der Jamaika-Sondierungen gezeigt. „Dieses Land hat kein Chaos verdient, dieses Land braucht bald eine handlungsfähige Bundesregierung“, sagte der scheidende dbb-Chef Klaus Dauderstädt am Montag beim dbb-Gewerkschaftstag in Berlin. „Das Scheitern von Verhandlungen ist uns vom Tarifgeschäft nicht unvertraut.“ In der Politik gebe es aber keine Streik-Option. „Ihr habt auch ein Streikverbot, versteckt Euch nicht“, rief Dauderstädt den Partei-Vertretern vor rund 1000 Teilnehmern des öffentlichen Dienstes zu. (dpa, afp)