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Kommentar nach Comey-Aussage Kommentar zu Präsident Donald Trump: Trumps ärgster Feind ist er selbst

Von Karl Doemens 11.06.2017, 18:40
Wegen seines selbstgefälligen Gehabes wird der amtierende US-Präsident von der liberalen Elite des Landes verachtet.
Wegen seines selbstgefälligen Gehabes wird der amtierende US-Präsident von der liberalen Elite des Landes verachtet. AP

Washington - Die Vorstellungen sind ausverkauft, wenn derzeit Abend für Abend im New Yorker Central Park ein klassisches Drama aufgeführt wird. Auf der Freiluftbühne geht es um einen Tyrannen, der mit Demagogie und Rechtsbrüchen regiert.

Im dritten Akt wird er von einer Gruppe republiktreuer Senatoren erdolcht. Am Ende klatschen die 1800 Zuschauer begeistert Beifall. Vorsorglich mahnt Oskar Eustis, der Künstlerische Direktor dieser Inszenierung von Shakespeares „Julius Caesar“: „Wer die Demokratie mit undemokratischen Mitteln verteidigen will, wird sie am Ende zerstören.“

Die Empörung der Liberalen wächst

Der Titelheld mit blonder Haartolle, überlangen Krawatten und einer slawisch sprechenden Ehefrau sieht Donald Trump nämlich verdammt ähnlich. Das gefällt den Sponsoren des Stückes nicht, die amerikanischen Unternehmen „Delta“ und „Bank of America“ haben dem Stück den Geldhahn zugedreht. Trumps Sohn Eric bedankte sich über den Kurznachrichtendienst Twitter bei den Unternehmen.

Das liberale Amerika ist angewidert von seinem Präsidenten. Ein Mann, der Presse und Justiz beschimpft, der Politik ohne Moral betreibt und nun von einem patriotischen Spitzenbeamten offen als Lügner bezeichnet wird – so eine Figur passt nicht zum Selbstbild der intellektuellen Eliten im vermeintlichen demokratischen Musterland.

Entsprechend groß ist die Entrüstung über die Schilderungen von Ex-FBI-Chef James Comey, wie der Präsident ihn zur Gefolgschaft und zur Einstellung von Ermittlungen drängen wollte. Viele Trump-Gegner hoffen, mit der Behinderung der Justiz endlich einen Hebel für die Amtsenthebung gefunden zu haben.

Rechtes Spektrum sieht Comey als Verräter

Doch die Reaktionen auf der rechten Seite des politischen Spektrums fallen völlig anders aus. Trump hat Comeys beiläufige Bestätigung, dass gegen ihn persönlich nicht ermittelt werde, eilig in einen Freispruch erster Klasse umgemünzt. Viele Anhänger kaufen ihm diese schräge Interpretation ab.

An der weißen Unterschicht-Basis gilt der Immobilienmogul immer noch als mutiger Kämpfer gegen das verhasste Establishment. In dieser von Verschwörungstheorien geprägten Sicht hat sich Trump allenfalls undiplomatisch ausgedrückt, als er Comey kaum verhohlen drohte. Der kühle Beamte aber ist ein illoyaler Verräter, der im Auftrag finsterer Mächte den Regierungschef beseitigen will.

Trump spaltet Amerika mehr und mehr

So befremdlich dies aus europäischer Sicht klingt: Die Mehrheit der republikanischen Wähler steht immer noch hinter Trump, und die aktuelle Affäre verstärkt die Polarisierung weiter. Solange das so ist, scheint ein Amtsenthebungsverfahren wenig realistisch: die Republikaner, ohne deren Unterstützung im Kongress keine Mehrheit zustande kommt, werden kaum zustimmen.

Gleichwohl markiert Comeys Aussage eine Zäsur. Die versuchte Justizbehinderung wird auf der Tagesordnung bleiben. Dafür dürfte nicht nur der gedemütigte Ex-FBI-Chef sorgen. Trump selbst wird in seiner manischen Ich-Fixiertheit die Affäre weiter anheizen. Gerade einmal 24 Stunden konnten ihn seine Anwälte vom Twittern abhalten. Dann bezichtigte er Comey der Lüge und erklärte sich ohne Not bereit, unter Eid auszusagen, obwohl er angeblich doch ein Tonband des brisanten Gesprächs besitzt.

Wirre Drohungen machen Wahlversprechen zunichte

Damit rudert Trump in immer neue Untiefen. Schon der Rausschmiss des FBI-Chefs mit wirren Begründungen und Drohungen war ein schwerer taktischer Fehler. Mit jedem Tweet verwickelt sich der Präsident nun in neue, juristisch angreifbare Widersprüche. Gleichzeitig bewegt er sich immer weiter von den Themen weg, wegen derer er gewählt wurde.

An der Basis in Ohio oder Pennsylvania interessieren die Moskau-Connection und die Comey-Affäre wenig. Die Wähler erwarten, dass der Präsident neue Jobs schafft, die Krankenversicherung repariert, die Steuern senkt, die Straßen ausbessert und den Zuzug von Migranten stoppt.

„Heiße Luft“ statt politisches Handeln

Doch von seinen populistischen Versprechen hat der Präsident bislang nichts umgesetzt. Dazu mangelt es ihm an Selbstdisziplin und Konzentration. Für seine pompös angekündigte „Infrastrukturwoche“ produzierte er nur eine Überschrift. Sein Einreiseverbot hielt einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Die Steuerreform besteht gerade mal aus ein paar Stichworten. Die Mauer ist ein Phantom. Und der aberwitzige zweite Anlauf für eine Gesundheitsreform wird von den eigenen Leuten blockiert.

Der ärgste Gegner von Trump heißt Donald Trump. Derzeit produziert er vor allem heiße Luft: Alles ist großartig, alles kommt rasend schnell voran. Tatsächlich lenkt ihn die FBI-Affäre nun noch weiter von seiner Agenda ab. Gleichzeitig drängt die Zeit. Die Zwischenwahlen rücken näher. In dieser Lage sind immer weniger Abgeordnete bereit, für einen Kompromiss mit dem unberechenbaren Regierungschef ihre Wiederwahl zu riskieren.

Sind Trumps Tage in Washington bereits gezählt?

So wird der Kontrast zwischen den bombastischen Ankündigungen und der Realität immer bizarrer. Auf Dauer kann sich das auch die Basis nicht schönreden. Wenn er so weiter macht, wird der Cäsar von Washington langsam, aber sicher selbst sein Schicksal besiegeln. „Man kann die Menschen nicht ewig betrügen“, hat Trump schon 1987 hellsichtig in seinem Buch „Die Kunst des Erfolges“ erkannt: „Wenn man nicht liefert, kommen einem die Leute irgendwann auf die Schliche.“