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John Kornblum bei Günter Jauch John Kornblum bei Günter Jauch: Wo fängt Anti-Amerikanismus an?

Von Holger Schmale 27.01.2014, 14:14

Wenn man den einstigen US-Diplomaten und heutigen Investmentbanker John Kornblum als Teilnehmer von Gesprächsrunden wie bei Günter Jauch beobachtet, schleicht sich leicht das Bild vom hässlichen Amerikaner in den Kopf. Der äußerst beleibte Kornblum tut nichts, um Sympathien zu wecken, weder in seinem Auftreten noch in seiner Argumentation.

Zu der von ihm gepflegten Weltmachtarroganz gehört seit Jahrzehnten, dass er Kritik an der Politik der USA als Anti-Amerikanismus diffamiert. Auch in der Debatte um die NSA-Affäre am Sonntagabend in der ARD warf er den Kritikern pauschal vor, sie würden eine Art „Schöffengericht gegen Amerika“ abhalten.

Das Problem ist: Kornblum hat in diesem Fall nicht ganz Unrecht. In die aktuelle Auseinandersetzung mischen sich zweifellos Stimmen, die keinerlei Differenzierung zwischen den Aktivitäten der US-Geheimdienste und „den Amerikanern“ kennen. Wer die Kommentarspalten der Onlinedienste verfolgt, findet Belege dafür zuhauf. „Jeder Mensch auf Erden dürfte wissen, dass Snowdens Ängste wohl kaum unbegründet sein dürften. Die US-Schergen werden ihn jagen bis sie ihn ermordet haben“, lässt zum Beispiel Spiegel online einen gog-magog schreiben. Er bezieht sich auf einen Artikel mit der Zeile: „Snowden fürchtet tödliche Rache der USA“ – eine Einladung zu solcher Kommentierung.

Auch Großbritannien ist Spion

Nun sind Online-Foren eine Sache; dass aber die Bundesregierung selber einen verdeckten Anti-Amerikanismus pflegt, eine ganz andere. Ganz zu Beginn der Beschäftigung mit den Enthüllungen Edward Snowdens versuchte auch der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, die Kritiker pauschal als Amerikafeinde zu diffamieren. „Noch bevor man überhaupt weiß, was die Amerikaner da genau machen, regen sich alle auf, beschimpfen die Amerikaner, und diese Mischung aus Antiamerikanismus und Naivität geht mir gewaltig auf den Senkel", sagte der CSU-Politiker.

Man weiß inzwischen, dass die Naivität in dieser Sache eher auf Seiten der Bundesregierung zu finden ist. Bemerkenswerter aber ist, dass Friedrich selber die pauschale Begrifflichkeit „die Amerikaner“ übernimmt und im weiteren Verlauf des Skandals pflegt. Dass es auch in den USA zunehmende Kritik am Vorgehen der Geheimdienste gibt, ignoriert er. Im Herbst wirft er den Vereinigten Staaten dann vor, mit ihrer Informationspolitik dem Ansehen des Landes mehr zu schaden, als Snowden es mit seinen Enthüllungen tue.

Noch entscheidender aber ist, dass die Bundesregierung insgesamt die Auseinandersetzung um die Schnüffelpraxis allein über die USA führt; dass auch Großbritannien offenbar ein eng gesponnenes Spionagenetz über den europäischen Datenverkehr geworfen hat, ignorieren die alte wie die neue Regierung von Angela Merkel.

Es ist einfacher, das Bild des hässlichen Amerikaners zu bedienen, als einen europäischen Verbündeten zur Rede zu stellen, der offenkundig europäisches Recht bricht. Das aber macht es amerikanischen Vereinfachern und Demagogen wie Kornblum so leicht, sich aus der Affäre zu ziehen.