Irak Irak: 56 Tote bei Selbstmordanschlägen auf Kurdenparteien

Erbil/Bagdad/dpa. - Beim schwersten Anschlag im Irak seit sechs Monaten sind am Sonntag in der Kurdenstadt Erbil mindestens 56 Menschen getötet und rund 200 verletzt worden. Wie US-Militärsprecher Brigadegeneral Mark Kimmitt in Bagdad weiter mitteilte, sind unter den Todesopfern auch zahlreiche kurdische Funktionäre. Arabische Medien nannten weitaus höhere Opferzahlen. Erst am Samstag waren bei verschiedenen Anschlägen im Irak insgesamt mindestens 17 Menschen getötet worden. In der Nacht zum Sonntag starben mehrere Iraker, die in ein Munitionsdepot südlich von Kerbela eingedrungen waren.
Wie Augenzeugen Reportern berichteten, sprengten sich in Erbil zwei als religiöse Würdenträger verkleidete Selbstmordattentäter in zwei Gebäuden der wichtigsten Kurdenparteien zeitgleich in die Luft. Die Opferzahlen waren besonders hoch, da Hunderte von Menschen gekommen waren, um den Funktionären der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zum islamischen Opferfest zu gratulieren.
Unter den Opfern in Erbil waren nach Informationen des arabischen Nachrichtensenders El Arabija auch der Gouverneur und der Polizeichef der nordirakischen Provinz. Über die Drahtzieher des doppelten Selbstmordattentats gab es zunächst keine Angaben. Urheber könnte die Gruppe Ansar el Islam, El Kaida oder irgendeine andere Islamistengruppe sein, vermutete Kimmitt.
Die beiden Kurdenparteien sind in dem von der US-Besatzungsmacht gegründeten provisorischen irakischen Regierungsrat vertreten. Seit über einem Jahrzehnt kontrollieren sie gemeinsam die drei kurdischen Nordprovinzen Erbil, Suleimanija und Dohuk.
Am Samstag war in der nordirakischen Stadt Mosul eine Autobombe vor einer Polizeistation explodiert. Dabei starben neun Iraker. Wie El Dschasira berichtete, wurden 45 weitere verletzt. Augenzeugen sprachen auch hier von einem Selbstmordanschlag. Bei einem weiteren Anschlag auf einen US-Konvoi 40 Kilometer südwestlich der Stadt Kirkuk wurden drei amerikanische Soldaten getötet. Ein Sprengsatz sei unter ihrem Fahrzeug explodiert, sagte ein Sprecher des US-Kommandos in Bagdad.
In der Nacht starben mehrere Iraker, die in einen Munitionsbunker etwa 180 Kilometer südlich von Kerbela eingedrungen waren. Das berichtete der polnische Rundfunk unter Berufung auf einen Armeesprecher in der polnischen Besatzungszone. Die Stärke der Explosion machte es den Angaben zufolge schwierig, die genaue Anzahl der Opfer festzustellen. Die Munition wurde von der multinationalen Besatzungstruppe bewacht und sollte der künftigen irakischen Armee übergeben werden.
In den Straßen Bagdads waren am Sonntag trotz des Opferfestes («Eid el Adha») Schüsse zu hören. Es blieb jedoch relativ ruhig, nachdem in der Nacht zuvor in einem vorwiegend von Palästinensern bewohnten Viertel der Hauptstadt fünf Menschen durch Mörsergranaten getötet worden waren. Das Opferfest dauert vier Tage, und auch die Mitarbeiter der amerikanischen Zivilverwaltung erhielten am Sonntag für zwei Tage frei.
Der amerikanische Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz traf am Sonntag zu einem unangekündigten Besuch von US-Truppen im Irak ein. Das meldete der arabische Fernsehsender El Dschasira. Wolfowitz kam nach US-Militärangaben aus Deutschland, wo er am Vortag das Hauptquartier der 1. US-Infanteriedivision in Würzburg besucht hatte. Die Division wird in diesem Monat in den Irak verlegt. Wolfowitz reiste bereits zum dritten Mal seit dem Ende der Kampfhandlungen im Irak nach Bagdad. Am 25. Oktober war er in der irakischen Hauptstadt nur knapp einem Anschlag entgangen, als das Hotel «Raschid» mit einem Raketenwerfer beschossen wurde.