Massive Kritik Internationale Kritik an Türkei: Recep Tayyip Erdogan verhaftet Journalisten und Oppositions-Politiker

Istanbul - Die jüngste Verhaftungswelle in der Türkei hat international massive Kritik und Besorgnis ausgelöst.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) vereinbarte in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim am Freitagabend, dass umgehend ein Konsultationsverfahren zwischen der türkischen Regierung und dem Europaparlament eingeleitet werden soll. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld des SPD-Politikers.
So rasch wie möglich sollen Unterhändler beider Seiten in Ankara und Brüssel miteinander reden, bevor es zu einer weiteren Eskalation im Verhältnis der EU zum Nato-Partner Türkei komme. In diesem Format solle auch über das Schicksal einzelner verhafteter Oppositionspolitiker und Journalisten geredet werden - mit dem Ziel, diese Personen möglichst rasch freizubekommen, hieß es weiter.
Verhaftungen wegen Terrorvorwürfen
Trotz internationaler Kritik müssen die beiden Vorsitzenden der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP ins Gefängnis. Ein Gericht in der Kurdenmetropole Diyarbakir verhängte wegen Terrorvorwürfen Untersuchungshaft gegen Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu und die HDP übereinstimmend berichteten. Nach Angaben der Partei wurden gegen neun ihrer Abgeordneten Haftbefehle erlassen.
Bei Polizeirazzien waren in der Nacht zum Freitag insgesamt zwölf HDP-Abgeordnete festgenommen worden. Der deutsch-türkische Abgeordnete Ziya Pir und zwei weitere Parlamentarier wurden unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Pir forderte einen deutlich härteren Kurs der Bundesregierung gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die HDP rechnet mit weiteren Festnahmen.
Erdogan beschuldigt die zweitgrößte Oppositionspartei im Parlament, der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Die türkische Regierung nannte die Festnahmen „rechtskonform“ und äußerte ihrerseits erneut heftige Kritik an Deutschland.
Auch Journalisten in Haft genommen
Fünf Tage nach seiner Festnahme ist auch gegen den Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ Untersuchungshaft wegen Terrorvorwürfen verhängt worden. Ein Gericht habe am Samstag Haftbefehl gegen Chefredakteur Murat Sabuncu und acht weitere „Cumhuriyet“-Mitarbeiter erlassen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.
In Köln wollen Kurden am Samstag (10.00 Uhr) gegen die jüngsten Festnahmen in der Türkei demonstrieren. Die Veranstalter erwarteten 10.000 bis 15.000 Teilnehmer. Die Demonstration wird von der Vereinigung Nav-Dem mitorganisiert. Diese wird vom Verfassungsschutz als Dachorganisation von Gruppen eingestuft, die der PKK nahestehen. Nav-Dem-Sprecherin Ayten Kaplan sagte, Erdogan sei dabei, das Land in einen Bürgerkrieg zu manövrieren. Alle demokratischen Kräfte müssten jetzt zusammenstehen.
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, sagte der „Welt“ (Samstag), Deutschland und die EU dürften der Entwicklung in der Türkei nicht weiter tatenlos zuschauen. „Derzeit darf es für das Erdogan-Regime ohne eine Änderung der Terrorgesetzgebung in der Türkei keine Zugeständnisse geben.“ Riexinger wollte nach Angaben der Organisatoren auch bei der Kundgebung in Köln sprechen.
Seehofer: „Für solch ein Land darf es keine Visafreiheit geben“
CSU-Chef Horst Seehofer forderte die Unterbrechung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Für ein Land, das die Todesstrafe einführen wolle, ein Land, das beinahe täglich Journalisten oder Politiker verhafte, ein Land, das Grundrechte mit Füßen trete - für ein solches Land dürfe es keine Visafreiheit geben, sagte Seehofer in München.
Die politische Lage in der Türkei nach dem Putschversuch Mitte Juli sorgt nach Informationen der „Bild“-Zeitung (Samstag) für einen rasanten Anstieg der Asylanträge. Bei deutschen Behörden seien bis Ende September 3973 Asylanträge von Türken eingegangen - mehr als doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2015, hieß es unter Berufung auf Kreise der Bundesregierung.
Wenige Stunden nach den Razzien gegen Oppositionspolitiker war es in der Kurdenmetropole Diyarbakir zu einem schweren Autobombenanschlag gekommen, den die Regierung der PKK zuschrieb. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte nun in einer Mitteilung über ihr Sprachrohr Amak den Anschlag in Diyarbakir für sich. (red mit dpa)