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Guttenberg in Kundus-Affäre unter Druck

18.03.2010, 19:43

Berlin/dpa. - Schneiderhan wies Vorwürfe zurück, er hätte den Verteidigungsminister nicht ausreichend über den Luftschlag vor rund einem halben Jahr informiert. Es bleibt unklar, warum Guttenberg den Angriff zunächst als militärisch angemessen beurteilte. Entlastend für Guttenberg könnte sein, dass im Verteidigungsministerium vor seinem Amtsantritt wohl stärker als bisher bekannt versucht wurde, die Bewertung des Kundus-Luftschlags zu beeinflussen: Die CSU betonte, deshalb sei die Entlassung des dafür verantwortlichen Staatssekretärs Peter Wichert korrekt gewesen.

Guttenberg selbst soll am 22. April und damit kurz vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor dem Ausschuss aussagen. Bei dem Luftschlag bei Kundus waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Nach Papieren, die der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegen, wurde nach dem Angriff im vergangenen September von Verteidigungs-Staatssekretär Wichert eine «Gruppe 85» gebildet, die auf die Untersuchung durch die Internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) reagieren sollte. In den Papieren heißt es: «Grundsätzliche Zielrichtung könnte sein: Positives Bild auch des Erfolges mit möglichen Verfahrensfehlern.»

Mit Datum 16. September und damit elf Tage vor der Bundestagswahl ist davon die Rede, dass es 100 bis 120 Todesopfer gegeben haben könnte - während die Regierung offiziell bis zum Ende Oktober in Berlin eingetroffenen ISAF-Bericht von weit weniger Toten sprach. Der entlassene Generalinspekteur Schneiderhan bestätigte am Donnerstag im Kundus-Untersuchungsausschuss die Existenz der «Gruppe 85», wollte sich aber nicht weiter zu deren Arbeit äußern. «Diese Gruppe fällt nicht in meine Zuständigkeit», sagte er.

Schneiderhan sieht sich mittlerweile durch Guttenberg vom Vorwurf entlastet, diesem Informationen verheimlicht zu haben. Entsprechende Äußerungen Guttenbergs in der vergangenen Woche habe er «mit Erleichterung» zur Kenntnis genommen, sagte er im Ausschuss.

Schneiderhan betonte in einem Brief an Guttenberg, der der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt, mit diesem «inhaltlich nie» über den Angriff gesprochen zu haben. Das würde bedeuten, dass Guttenberg seine im Dezember revidierte Einschätzung über die Angemessenheit des Angriffs ohne inhaltliche Beratung Schneiderhans getroffen hat. Guttenberg bezog sich in seinem Urteil auf den Bericht der ISAF. Abweichend von Schneiderhans Angaben hatte Guttenberg vor dem Verteidigungsausschuss eine «Besprechung zu diesem Bericht» mit Schneiderhan und dem ebenfalls im Zuge der Affäre am 26. November entlassenen Wichert erwähnt. Beide mussten gehen, weil Guttenberg sich unzureichend über das Bombardement informiert fühlte.

So hatte Guttenberg nach eigener Darstellung von einem Untersuchungsbericht der deutschen Feldjäger erst aus der «Bild»- Zeitung erfahren. Guttenberg hatte mit Blick unter anderem auf den Feldjägerbericht zunächst von vorenthaltenen und später sogar von unterschlagenen Dokumenten gesprochen. In einem Interview erklärte er aber dann in der vergangenen Woche, er habe nie behauptet, dass ihm Unterlagen «vorsätzlich» oder «böswillig» vorenthalten worden seien. Schneiderhan sagte, die Sache sei für ihn damit erledigt. Er hatte Guttenberg den Feldjäger-Bericht nicht vorgelegt, weil er ohnehin in den ISAF-Bericht eingeflossen ist. Schneiderhan machte Indiskretionen im Verteidigungsministerium für seine Entlassung verantwortlich.

Oppositionspolitiker vermuten, dass Guttenberg mit den Entlassungen Schneiderhans und Wicherts von eigenen Fehlern ablenken wollte. Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels sagte dem «Kölner Stadt-Anzeiger», wenn sich herausstelle, dass Guttenberg über die Hintergründe der Entlassungen die Unwahrheit gesagt habe, werde es eng für ihn. Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour sagte, der Ausschuss werde auch prüfen, ob der Öffentlichkeit nach dem Luftschlag Informationen zu zivilen Opfern aus Wahlkampfgründen vorenthalten worden seien. Sollte das der Fall sein, sei dies ein «ungeheuerer Vorgang». Der Unions-Obmann im Ausschuss, Ernst-Reinhard Beck (CDU) warf der Opposition vor, mit dem Ausschuss ein «politisches Spektakel» zu veranstalten.

Nach einem Bericht der «Stuttgarter Zeitung» (Freitag) ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein und seinen Flugleitoffizier wegen des Verdachts auf ein Kriegsverbrechen. Klein hatte den Luftangriff am 4. September 2009 nahe Kundus befohlen. Der Zeitung zufolge habe sich der Anfangsverdacht, dass bei dem Luftangriff gegen das Völkerstrafgesetzbuch verstoßen wurde, «auf niedriger Stufe bestätigt». Die Bundesanwaltschaft habe beide als Beschuldigte zur Vernehmung in der kommenden Woche vorgeladen.