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Grabstätte von Rudolf Heß Grabstätte von Rudolf Heß: Wunsiedel hat seinen Frieden

Von MARKUS DECKER 21.07.2011, 06:22
Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß (FOTO: DPA/ARCHIV)
Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß (FOTO: DPA/ARCHIV) dpa

Berlin/MZ. - Kann es einkatastrophaleres Entree geben? Seit Donnerstagdarf sich die kleine Ortschaft auf hellereZeiten freuen. Am Mittwoch im Morgengrauenwurden das Grab des Hitler-Stellvertretersgeöffnet, seine Gebeine entnommen und derGrabstein entfernt. Der braune Spuk im Oberfränkischenhat nun ein Ende. Auch BundesinnenministerHans-Peter Friedrich (CSU) wird dies rechtsein. Wunsiedel befindet sich nämlich in seinemWahlkreis.

Jahrelang war der Ort von Rechtsextremistenbelagert worden. 4500 kamen allein 2004 anlässlichvon Heß‘ Todestag, um eines Mannes zu gedenken,der in ihren Augen ein "Märtyrer" war.

Heß wurde 1894 als Sohn eines Exportkaufmannsim ägyptischen Alexandria geboren. Er dienteals Soldat im Ersten Weltkrieg und lernteim Mai 1920 Adolf Hitler kennen - und bewundern.Der Mann, der als Idealist galt, rückte 1933zum Stellvertreter des "Führers" in der NSDAPauf und wurde Minister ohne Geschäftsbereich.Für Aufsehen sorgte 1941 seine Reise nachGroßbritannien mit dem Ziel, Frieden zu schließen.Heß wurde festgesetzt und 1946 in Nürnbergzu lebenslanger Haft verurteilt. Alle Mithäftlingedurften das umgebaute Militärgefängnis Spandaunach und nach verlassen. Nur er blieb zurück.Heß nahm sich 1987 mit 93 Jahren das Lebenund wurde in Wunsiedel beigesetzt.

Zwar hat sich die Stadt gegen die braunenAufmärsche gewehrt - bis zum Verbot 2005.Es herrscht das Motto "Wunsiedel ist bunt".Einmal jährlich wird der "Tag der Demokratie"gefeiert. SPD-Innenexperte Sebastian Edathyverwies am Donnerstag darauf, dass die rot-grüneKoalition Demonstrationen untersagt habe,die die Würde der Opfer des nationalsozialistischenTerrorregimes herabsetzen. "Dadurch ist dasgrundlegende Problem in Wunsiedel gelöst worden."Wohl aber hat es einen rechtsextremistischenIndividualtourismus auch danach noch gegeben.Und so lange das Heß-Grab in Wunsiedel fortexistierte,so lange blieben beide tragisch aneinandergekettet. Da fügte es sich nun, dass der 20-jährigePachtvertrag über die Grabstätte nun ausliefund der zuständige Kirchenvorstand der Gemeindeihn nicht verlängern wollte. Stattdessen sollendie Gebeine des Hitler-Stellvertreters verbranntund auf See bestattet werden.

Der CDU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl sagtdazu: "Wunsiedel hat sich zum Wallfahrtsortvon Rechtsextremen entwickelt." So sieht esauch Bürgermeister Karl Willi Beck, der aufRuhe hofft und hinzufügt: "Vielleicht bekommtHeß jetzt wirklich seine letzte Ruhe. DennRuhe hatte er in Wunsiedel ja nie." Der Kampfgegen den Rechtsextremismus gehe indes auchohne Heß weiter, versichert das CSU-Mitgliedglaubhaft. "Hinschauen statt wegschauen –das wird für uns immer gelten." Insofern habedas – neuerdings leere – Grab auch sein Gutesgehabt.