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Gesundheit Gesundheit: Neue Zähne zum halben Preis

Von Basil Wegener 09.07.2009, 14:57
Am Stadtrand von Stettin (Polen) steht ein großes Werbeplaket einer polnischen Zahnklinik mit dem Slogan «Viel günstiger als in Deutschland» (FOTO: DPA)
Am Stadtrand von Stettin (Polen) steht ein großes Werbeplaket einer polnischen Zahnklinik mit dem Slogan «Viel günstiger als in Deutschland» (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Wegen der hohen Zuzahlungenist der blühende Zahnarzttourismus in Grenznähe für vieleGeringverdiener oft die einzige Chance auf neuen Biss. Weiterverbreitet sind aber Kronen, Brücken oder Prothesen aus China,anderen asiatischen Ländern oder der Türkei - der günstigereZahnersatz aus dem Ausland nimmt auch in deutschen Praxen stetig zu.

Bei der AOK Brandenburg gab es ein Phänomen. Versicherte reichtenHeil- und Kostenpläne für Zahnersatz ein, die Kasse bewilligte dieZuschüsse - doch fast jeder Vierte verzichtete auf die Behandlung.«Für Geringverdiener ohne Zuzahlungsbefreiung ist Zahnersatz oftunerschwinglich», sagt Sprecher Jörg Trinogga. Hunderte, manchmaltausende Euro muss man selbst zahlen. Als Reaktion schloss die Kassemit der polnischen Tochter eines Münchner Anbieters einenVertrag über Behandlungen in Praxen jenseits der Grenze, aber nachdeutschem Standard. Rund fünf Prozent des Umsatzes in dem Bereichentfallen inzwischen auf polnische Ärzte.

Auch in Ungarn boomt der Zahnarzttourismus. So reiht sich imGrenzort Sopron Praxis an Praxis. Bei aufwendigeren Behandlungen gibtes Komplettangebote - mehrere Übernachtungen, Wellnessangebote undAusflüge inklusive. Verbraucherschützer berichten von zufriedenenPatienten, aber auch Behandlungen wie am Fließband kommen vor.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalzinspizierte in den Jahren 2006 und 2007 das Gebiss vieler Patientennach Auslandsbehandlungen. Bei rund einem Drittel stießen die Prüferauf abstehende Kronenränder, zu wenig Biss oder andere Mängel. 55Prozent entsprachen allen Richtlinien und waren einwandfrei. BeiEigenanteilen von im Schnitt 179 Euro sparten die Versichertendurchschnittlich mehr als 800 Euro.

Meist müssen die Versicherten beim Gang zum Zahnarzt in Polen oderUngarn allerdings in Vorkasse treten. Außerdem fühlen sich viele beimgewohnten Arzt um die Ecke besser aufgehoben - zumal bei längerenBehandlungen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) gibtihrer Branche jedenfalls Entwarnung: «Nach wie vor fahren nur wenigeVersicherte für eine Zahnersatzversorgung selbst ins Ausland.»Gemessen an der gesamten Bevölkerung taten es laut einer neuenUmfrage aber immerhin schon 1,2 Prozent.

Die zu 53 Prozent aus China, zu 14 Prozent aus der Türkei und zu 8Prozent aus den Philippinen stammenden künstlichen Zähne oderZahnteile dagegen werden immer öfter in den Mund eingesetzt. «Das istein wachsender Markt», sagt KZBV-Chef Jürgen Fedderwitz. Mittlerweilekommt schon jeder zehnte Zahnersatz von fern - Tendenz steigend, wieeine Umfrage unter den Zahnärzten zeigt. Fedderwitz wirbt fürZurückhaltung. «Spezielle klinische Untersuchungen über die Qualitätdes gelieferten Zahnersatzes gibt es noch nicht», sagt er.

Oft werden die Mediziner auch von Patienten gedrängt, nicht nurdas im Vergleich teurere Material aus ihrem gewohnten Labor um dieEcke anzubieten. Manche Patienten stellen ihre Heil- und Kostenplänesogar ins Internet auf der Suche nach günstigeren Angeboten.Fedderwitz mahnt, auf persönlichen Augenschein im Zahnarztstuhl nichtzu verzichten: «Es ist ziemlich verantwortungslos, einen Patienten imInternet zu ersteigern.»